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Jobabbau wegen Marktmacht: Bierbrauer

Die Brauereien Brinkhoff und Kindl müssen dichtmachen. Auch die Betriebsräte sehen kaum eine andere Chance. Schließlich ist der Bierabsatz in der letzten Zeit enorm gesunken. Nur die Billigmarken laufen noch einigermaßen

DORTMUND/BERLIN taz ■ Katerstimmung herrschte gestern in vier Brauereien in Dortmund und Berlin, dabei hatte es so früh am Tag gar kein Bier gegeben. Doch Ulrich Kallmeyer, Geschäftsführer der zum Oetker-Lebensmittelkonzern gehörenden RB Brauholding, verkündete den MitarbeiterInnen offiziell, was längst alle wussten: In Dortmund wie Berlin wird 2006 einer der jeweils zwei zur Holding gehörenden Standorte geschlossen. In der NRW-Bierstadt trifft es die Brauerei Brinkhoff. Sie gehört zum Brau-und-Brunnen-Konzern (BuB). Den hatte Oetker 2004 übernommen und später mit seiner Radeberger-Gruppe zur RB Brauholding verschmolzen. In Berlin macht die schon länger zu Radeber- ger gehörende Kindl-Brauerei dicht.

450 Arbeitsplätze sollen laut Kallmeyer verschwinden, „wir versuchen, betriebsbedingte Kündigungen wenn möglich zu reduzieren“, kündigte der Konzernchef vor der Presse in Dortmund an. Durch die Brauerei-Schließungen soll der Bierausstoß in Dortmund von 6,5 auf 4 Millionen Hektoliter gesenkt werden. Trotz der Radikalsanierung will Kallmeyer auf dem unter Überkapazitäten leidenden deutschen Biermarkt grundsätzlich weiter zukaufen. Bis 2008 soll die RB-Holding ihren Marktanteil bei Bier und alkoholfreien Getränken von heute 15 auf 20 Prozent erhöhen. Durch „organisches Wachstum“, so Kallmeyer, sei das nicht zu schaffen.

Denn der Bierkonsum geht seit Jahren stetig zurück, eine Trendumkehr ist nicht in Sicht. Außerdem greifen immer mehr Verbraucher statt zur teuren Premium-Marke zu günstigeren No-Name-Bieren. Durch diese „Billigst-Biere“ finde eine „immense Wertschöpfungsvernichtung“ statt, so Kallmeyer. Die Möglichkeit, die nicht ausgelasteten Brauereien jetzt selbst für die Produktion eigener Billigmarken zu nutzen, hat die RB Holding stets kategorisch abgelehnt.

Kein gutes Haar ließ der neue Herr der Biere am Vorgänger-Management bei Brau und Brunnen: „Utopisch klingende Planungen“ hätten den einst größten deutschen Getränkekonzern in eine dramatische Schieflage gebracht. So soll auch die noch gar nicht fertig gebaute BuB-Zentrale in Dortmund umgehend weitervermietet werden.

Auch die Arbeitnehmerseite sieht ohne harte Sanierung keine Zukunftschancen: Kallmeyers Argumentation habe „eine gewisse Logik“, sagte der BuB-Konzernbetriebsratsvorsitzende Martin Schroer der taz. Da die Brauerei-Stilllegungen aber erst 2006 erfolgen, „bleibt noch Gestaltungsspielraum“. Man werde mit der Belegschaft über Arbeitszeitreduzierungen verhandeln, „mal gucken, was sich machen lässt“. An betriebsbedingten Kündigungen werde man aber wohl nicht vorbeikommen. Der Betriebsrat teilt auch die Strategie des Konzerns, gegen den Billigbier-Trend anzugehen: Hier handele es sich um eine „klassische Zwickmühle“. Zwar ließe sich einerseits so der Absatz erhöhen, man kannibalisiere aber auch den eigenen Normal- und Premiumbier-Bereich, sagt Schroer: „Wenn wir da mitmachten, würde das ja auf unsere eigenen Leute zurückfallen.“ KAN, STG

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