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essen für deutschland von WIGLAF DROSTE

„Nee, nichts vom Arbeitslosen“, meinte Bernd. „Hattich letzte Woche. Is mir überhaupt nich bekommen.“ Er verzog sein Gesicht, stieß sachte sauer auf und schob nach: „Sorry, aber Arbeitslose kann ich echt nich empfehlen. Die tun einfach nichts für ihre Ernährung.“ Er zückte eine plattgesessene Schachtel Rennie-räumt-den-Magen-auf und hielt sie hoch. „Sechs Stück musstich mir hinterher reinhauen, dann gings wieder.“

Zu viert saßen wir in der Imbissbude „Bei Mampf-Fred“. Zwar trug Fettlettenbräter Manni wie immer eine siffige Schürze und eine leutselige Miene zur Schau, aber sein Laden war renoviert, und die Sachen auf der Karte waren auch neu. Neu aber war nicht gut, das wussten wir, neu war ein anderes Wort für Reform, also für noch viel schlechter. Manni schien unseren Argwohn zu spüren. „So isses ja nich“, sagte er. „Ihr könnt auch ganz normal Currywurst und Pommes kriegen, wie früher. Kost halt bisschen mehr. Aber vielleicht probiert ihr einfach mal was anderes?“ Dabei lächelte er so aufdringlich und falsch, als hätte er ein Casting für die Kantine vom Media Markt in Aussicht und wäre schon kräftig am Üben.

„Gesicherte Herkunft ist mir schon wichtig“, gab Stefan vorsichtig zu bedenken und schaute mit spitz zusammengezogenem Mund auf drei Plastikeimer, die allerlei nicht allzu gut definierbare Fleischstücke enthielten. „Eins sag ich dir gleich, Manni: Aus der Dritten Welt nehm ich nix!“, setzte er entschieden hinzu. „Am Ende sind die katholisch gewesen, und seitdem der Papst gesacht hat: Keine Kondome, seid fruchtbar und infizieret euch alle schön mit Aids, isses ja noch unsicherer.“ Eindringlich sah er Manni an. Sechs Jahre rot-grüne Regierung hatten auch aus Stefan einen ernährungsbewussten Bürger gemacht. Er würde nicht mehr jeden Dreck in sich reinschaufeln, er nicht, das war für immer vorbei.

„Is doch gar kein Problem“, sagte Manni. „Alles deutsche Ware hier. Sogar mit CMA-Gütesiegel.“ Er griff unter die Theke und holte ein Blatt Papier hervor. „Frikadellen sind der Hit / Bist du unser Brät-Pitt?“, lasen wir wörtlich. „Deutsch is mir egal!“, hämmerte jetzt allerdings Ralf dazwischen. „Deutsch kannste knicken! Ich will wissen, wie die sich ernährt haben! Vegane esse ich jedenfalls nicht noch mal! Da sind überhaupt keine Nährstoffe mehr drin!“ Ralf schüttelte sich. „Und Schröder brauchstu mir auch nicht anzubieten. Der frisst zwar Schnitzel, ist aber trotzdem aus Reifengummi. Den kannstu 100 Stunden fritieren, den krisstu nich weich. Und den Clement au nich!“

Was denn dann mit Doris Schröder-Köpf wäre, fragte ich vorsichtig. Wenn schon Millionen Menschen für überflüssig erklärt würden, könne man ja beim Aufessen genauso gut mit ihr anfangen? Wo die Bunte sie doch zur „wichtigsten Frau des Jahres 2004“ gewählt hatte, wäre der Abend der Preisverleihung bestens geeignet für einen kulinarischen Abschied, oder?

Manni hatte unseren Disput mit verschränkten Armen verfolgt. „Also Jungens, wie isset?“, fragte er. „Was wollta haben? Richtich Bio gibts sowieso nicht. Oder kennt ihr vielleicht freilaufende Deutsche?“ Da hatte Manni Recht, und wir bestellten notleidende Arbeitgeberpräsidenten aus Käfighaltung.

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