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press-schlagAuferstehung am Aschermittwoch

Ohne Ballack versucht das DFB-Team heute gegen Argentinien, das lädierte Image des deutschen Fußballs zu verbessern

Wenn man ein großes Fußball-Länderspiel ausgerechnet am Aschermittwoch ausgerechnet in Düsseldorf ansetzt, dann lässt sich eigentlich schon vorher ahnen, dass irgendetwas schief laufen wird. Dass es aber ein geldverliebter Jung-Schiedsrichter aus Berlin sein würde, der die ganze Feststimmung beim Spiel Deutschland – Argentinien (20.45 Uhr, ARD) gründlich versaut, das konnte niemand ahnen. Zumal die Antizipation negativer Vorkommnisse wahrlich nicht zu den hervorstechenden Eigenschaften des aus Jürgen Klinsmann, Oliver Bierhoff und Joachim Löw bestehenden Leithammeltrios der Nationalmannschaft gehört.

Lange lassen sich die drei ihren Spaß auch nicht trüben. Brav und fußballpolitisch hoch korrekt nahm Bundestrainer Klinsmann Stellung zum Wettskandal. Wie er es einst als Stürmer gewohnt war, verwandelte er prompt jede Vorlage, die ihm andere Funktionsträger im deutschen Fußball verbal geliefert hatten. „Glaubwürdigkeit und Ansehen“ habe der deutsche Fußball international verloren, die Sache müsse „konsequent und schnell zu Ende gebracht“ werden. Das reichte dann aber auch schon. Das Böse hat keinen Platz in der Welt des Bundestrainers, und wenn doch, dann wird es einfach ignoriert. 2006 sei das alles vergessen, behauptete er kühn, ansonsten werde man sich fortan „rein auf das Sportliche“ konzentrieren. Noch Fragen? Pech gehabt!

Team-Manager Bierhoff mochte dann nur noch am Rande über den „Schaden für das Image des deutschen Fußballs“ reden und bewegte sich ansonsten ausschließlich in jenen sprachlichen Gefilden, die typisch sind für die Troika. „Ein echter Knaller“, nannte Bierhoff die Partie gegen Argentinien und verlieh dem strotzenden Selbstbewusstsein Ausdruck, dass der Optimismus versprühende Klinsmann dem Team und seinem Umfeld eingehaucht hat: „Es wird Zeit, einen Großen zu schlagen.“ Auch Klinsmann hatte von einem „Highlight“ gesprochen und das übliche „Gasgeben“ angekündigt.

Solche Vollmundigkeit zeigt sogar Wirkung in Argentiniens Medien. Dort respektiert man Deutschland zwar als „historischen Rivalen“ (die Zeitung Clarín), in Erinnerung an die WM-Endspiele 1986 und 1990, aber Ehrfurcht der aktuellen Mannschaft gegenüber gehörte bisher nicht zum Repertoire. „Sie werden alles tun, um gegen uns zu gewinnen“, zitiert Clarín nun Diego Placente und spricht vom „Stolz“ des Klinsmann-Teams, dem Michael Ballack wegen Grippe jedoch fehlen wird. Im Tor soll der Londoner Luftlochtreter Jens Lehmann stehen.

Für die Argentinier stellt die Partie in Düsseldorf einen relativ unspektakulären Zwischenstopp auf ihrem Weg zur WM dar. Für Trainer José Pekerman geht es darum, eine harmonische Einheit aus dem vorwiegend mit jungen Spielern besetzten Olympiateam und älteren Stars wie Crespo, Riquelme, Zanetti oder Solari zu bilden. Für die Deutschen hingegen ist das Match eines der wichtigsten im ganzen Jahr. Bislang gab es beim 1:1 gegen Brasilien unter Klinsmanns Ägide nur eine Begegnung mit einem wirklich renommierten Team. Der letzte Sieg gegen eine Topmannschaft war das 1:0 in England vor mehr als vier Jahren.

Auch wenn die munter verbreitete Klassifizierung der im Umbruch befindlichen Argentinier als weltbeste Mannschaft etwas übertrieben scheint, sind sie dennoch ein echter Prüfstein. Das Match könnte schonungslos die Defizite aufdecken, die unter der Floskeldecke lauern, die Klinsmann über das DFB-Team gebreitet hat, es könnte aber auch zeigen, dass neues Selbstbewusstsein und propagierte Offensivfreude tatsächlich eine Qualitätssteigerung bewirkt haben. Und es könnte dafür sorgen, dass der Skandal um den Schiedsrichter Robert Hoyzer in den Hintergrund tritt und im Zusammenhang mit dem DFB auch mal wieder über Fußball geredet wird. MATTI LIESKE

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