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Aus Fans werden Tarifpartner

Poker in Dortmund: Nach dem Rücktritt von Gerd Niebaum als Geschäftsführer der BVB KGaA spüren die Fans wachsenden Einfluss. Ob auch Manager Michael Meier gehen muss, ist noch unklar

VON KLAUS JANSEN

Vertrauliche Gespräche mit der Geschäftsführung, angedrohte Massenkundgebungen, angedeutete Kompromisse: Einen Tag nach dem Rücktritt von Gerd Niebaum als Geschäftsführer der Borussia Dortmund KGaA verhalten sich die Fans des Bundesligisten wie eine Belegschaft im Arbeitskampf. Debattiert wird darüber, ob nach Niebaum auch Manager Michael Meier sein Amt aufgeben soll – und ob die groß angekündigte Fan-Demonstration auf dem Dortmunder Friedensplatz am Samstag stattfinden soll.

Als Druckmittel der Basis gegen die Pleite-Manager wollten 15.000 bis 20.000 Borussen unter dem Motto „Not for Sale“ auf die Straße gehen. Aufgerufen hatte die Fanclub-Vereinigung „The Unity“. „Wir sind zu einem reinen Kommerzklub verkommen. Jetzt müssen wir Fans in den Mittelpunkt“, sagt Demo-Organisator Jens Volke. Vor allem gegen Manager Meier soll sich die Demo richten, weil der für „den kalten, emotionslosen BVB und die Entfremdung von Verein und Basis“ steht, so Volke.

Doch ohne Co-Feinbild Niebaum ist die Protestbereitschaft vieler Fans merklich gesunken. Nachgeholfen hat offenbar BVB-Präsident Reinhard Rauball – er legte Vertretern der neu gegründeten Fanabteilung kurz nach dem Niebaum-Abgang dar, weshalb er an dessen Kompagnon Meier festhalten wolle. „Er hat uns sehr authentisch und einleuchtend geschildert, warum Meier bleiben soll“, sagt Fanabteilungsleiter Reinhard Beck. Deshalb habe man „empfohlen“, die Demo abzusagen.

Zuhause bleiben wollen viele Fans aber nur, wenn der Verein ein deutliches „Signal“ gebe, dass „Kumpanei und Intrigen“ bei der Borussia künftig nicht mehr vorkämen, sagt Demo-Initiator Volke. Ein solches Signal könnte die Begrenzung von Meiers Amtszeit auf die laufende Saison sein – im Juni läuft sein Vertrag aus, vorher könnte er zumindest noch helfen, die gefährdete Lizenz für die kommende Spielzeit zu sichern. Die Vereinsseite schweigt dazu noch, die Fans pokern weiter in Betriebsrats-Manier. „Da wird jetzt Politik gemacht“, beschreibt Guido Schulze, Macher des Fanzines Schwatzgelb die Situation der Anhänger.

Bei allem neu gewonnenem Machtgefühl sind sich die BVB-Fans bewusst, dass Niebaum nicht nur aus Angst vor dem schwarz-gelben Fußvolk die Segel gestrichen hat – das „warum gerade jetzt?“ könnten eher die potenziellen Geldgeber WestLB und der Finanzmakler Stephen Schechter erklären, die eine Rettung der Borussia durch Millionenkredite von einer Demission des Geschäftsführers abhängig gemacht haben sollen.

Welche neuen Anläufe der BVB in Sachen Kapitalakquise nun unternehmen will, war gestern nicht zu erfahren. Die Richtung scheint mittlerweile jedoch klar: Während die WestLB mitteilte, dass es keine konkrete Anfrage der Borussia und deshalb vorerst auch keinen Kredit geben werde, zeigte sich der Londoner Schechter aufgeschlossen. „Wir wären erfreut, mit Vereinspräsident Reinhard Rauball zusammenzuarbeiten“, sagte er.

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