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kommentarNordkoreas stärkste Waffe ist die Ungewissheit

Kim Jong Ils Hungerstaat meldet erstmals hoch offiziell: Wir haben die A-Waffe. Zunächst scheint die Meldung den westlichen Geheimdiensten Recht zu geben, die seit Jahren warnen, Nordkoreas Wissenschafter hätten ihr Ziel erreicht. Aber das waren immer Spekulationen, Mutmaßungen.

Gewissheit bringt auch das gestrige Eingeständnis nicht. Ein entscheidender Hinweis wäre erst ein Atomwaffentest. Darauf verzichtete Diktator Kim Jong Il bislang.

Diese Ungewissheit über Nordkoreas Gefährlichkeit ist Kim Jong Ils stärkste Waffe. Die Großmeister der Verschleierung in Pjöngjang hegen und pflegen sie. Die USA haben mehrmals erwogen, nordkoreanische Atomanlagen zu bombardieren, und die Pläne wieder verworfen. Primär aus Angst vor einem Gegenangriff auf Südkorea und die dort stationierten US-Truppen. Aber auch, weil zu wenig über den Umfang und die unterirdischen Standorte des Atomprogramms bekannt ist.

Im Kampf siegt, wer den Feind überrascht und überrumpelt. Im abgeschottetsten Land der Welt, das seinem Volk eine Dauer- Kriegsmobilmachung aufbürdet, wird dieser Taktik nach gelebt. Mit der Ankündigung, sich von den Verhandlungen über das Atomwaffenprogramm zurückzuziehen, erzwingt Kim Jong Il abermals, dass die Staatengemeinschaft nach seiner Pfeife tanzt. Nordkorea ließ in seiner Erklärung vom Donnerstag durchaus ein Türchen offen: Die Verhandlungen seien nicht abgebrochen, lediglich ausgesetzt.

Dieses Muster ist bekannte nordkoreanische Strickart: Man lässt den Konflikt eskalieren, um später, eingedeckt mit Hilfszusagen und millionenschweren Zahlungen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Doch diesmal könnte sich die Führung in Pjöngjang verschätzt haben. Die internationale Isolation wird sich verschärfen. Wirtschaftssanktionen liegen in der Luft, und für den Hungerstaat wird es noch schwieriger, selbst humanitäre Hilfe zu bekommen.

Die einzigen zugewandten Staaten bleiben China und Südkorea. Für diese Nachbarländer hätte ein nordkoreanischer Zusammenbruch die gravierendsten Folgen. MARCO KAUFFMANN

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