kabinenpredigt: Jugend trainiert
Er ist schon lange dabei. Wenn er bekannt wäre, würden ihn Sportreporter wohl als alten Hasen bezeichnen. Doch er ist nicht bekannt. Er ist Orientierungslauftrainer in Berlin. Ein erfolgreicher zwar – aber wer kennt schon Orientierunglauftrainer?
Auch über den Orientierungslauf an sich ist wenig bekannt. Der Sport, bei dem es darum geht, sich anhand einer Karte in einem unbekannten Waldstück zu orientieren und so schnell wie möglich von Markierungspunkt zu Markierungspunkt zu laufen, ist alles andere als populär. Dennoch gibt es Nachwuchs – und für den Nachwuchs einen Trainer.
Der erklärt auf interessierte Nachfrage gerne alles über seinen Sport. Und bald schon wissen seine Zuhörer, dass Orientierungsläufer ganz anders laufen als andere Läufer; dass sie die Knie viel stärker anwinkeln; dass dieser Bewegungsablauf mörderische Kondition und Kraft erfordert; dass es deshalb der gesündeste, härteste, einfach der beste Laufsport ist, den es gibt.
Sie wissen auch schnell Bescheid über die große Familie derer, die dem Suchfindwettlauf frönen. Dass es da keine Unterschiede gebe zwischen Männern und Frauen zum Beispiel, erzählt der Trainer, dass Orientierungsläufer keine getrennten Umkleiden brauchten und dass das nie ein Problem gewesen sei. Weil die Männer zwar manchmal schon schauen würden – denn das sei ja auch sehenswert –, aber mehr als schauen würden sie eben auch nicht.
Im Nachwuchsbereich sei das anders, anders geworden. Wenn sich seine Mädchen umziehen, dann verlasse er den Raum. Grundsätzlich. Das gebe heutzutage nur Ärger, berichtet er. Früher hätten die Eltern nie etwas gesagt. Da habe man die Mädchen sogar noch anfassen dürfen, was nie schlimm gewesen sei – schließlich nehme man als Trainer auch eine gewisse Vaterrolle ein. Aber damit ist Schluss. Er will sich nichts mehr nachsagen lassen. Als Nachwuchstrainer müsse man unheimlich auf der Hut sein. Dabei mache er das alles ehrenamtlich.
Früher, sagt der alte Hase dann, sei alles besser gewesen. Auch die Leistungen der Mädchen. ANDREAS RÜTTENAUER
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