: NRW sucht Oppositionsführer
Immer dran denken, nie drüber reden: CDU und SPD bereiten sich intern auf den „Worst Case“ vor, eine Niederlage bei der NRW-Landtagswahl. Vorsorglich guckt man mögliche Oppositionsführer aus
VON K. JANSEN, M. TEIGELER UND A. WYPUTTA
Er werde im Falle einer Niederlage als Privatier politische Kolumnen schreiben, hat Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) angekündigt. Und auch sein Herausforderer Jürgen Rüttgers wird nach einer möglichen Pleite keine dritte Chance bekommen. Damit ist klar: Egal, ob SPD oder CDU die Landtagswahl am 22. Mai gewinnen, einen neuen Oppositionsführer bekommt das Land NRW auf jeden Fall.
Nur hinter vorgehaltener Hand spekuliert das politische Düsseldorf über die Frage, wer Chef der neuen Opposition im Landtag wird. „Wenn wir die Wahl verlieren, wird das ein langer Prozess zurück an die Regierung“, sagt ein führendes Mitglied der NRW-SPD. Wenn die Genossen wirklich nach 39 Jahren die Macht abgeben müssten, sei nicht nur Ministerpräsident Steinbrück, sondern auch der Landesvorsitzende Harald Schartau politisch angeschlagen, heißt es. „Das zieht den Harald mit runter“, sagt ein Mitglied des SPD-Landesvorstands. Das Reservoir möglicher Gegenspieler eines CDU-Ministerpräsidenten Rüttgers ist ansonsten übersichtlich. Als Favorit gilt Edgar Moron, schon jetzt Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten. „Moron macht einen guten Job, könnte das aber nur für einen Übergangszeitraum machen“, sagt ein Genosse über den schon 63-jährigen Rheinländer, der sich in der SPD-Nomenklatura hochgearbeitet hat.
„Es gibt viele, die sich den Job des Oppositionsführers zutrauen würden“, ist aus der SPD zu hören. Falls Moron es nicht macht, sähe die Reihenfolge wohl so aus: Birgit Fischer (die NRW-Gesundheitsministerin wäre die erste Oppositionsführerin der Landesgeschichte), dann Michael Groschek (Generalsekretär, Che-Guevara-Fan und zudem noch unter 50). Ein Mitglied des NRW-SPD-Präsidiums zur taz: „Aber das sind Sandkastenspiele, weil wir die Wahl auf jeden Fall gewinnen werden.“
Auf jeden Fall die Wahl gewinnen wird nach eigenen Angaben auch die CDU: „Mit der Frage eines Oppositionsführer beschäftigen wir uns nicht, weil sie unrealistisch ist“, gibt Fraktionssprecher Norbert Ness zu Protokoll. Doch auch die Christdemokraten spekulieren intern wild: „Oliver Wittke will Fraktionsvorsitzender werden, egal wie die Wahl ausgeht“, sagt ein Mitglied des CDU-Landesvorstands.
Der Gelsenkirchener Oberbürgermeister galt bis zu seiner Abwahl bei der NRW-Kommunalwahl im Herbst 2004 als das Vorzeigetalent der nordrhein-westfälischen Christdemokratie. Seine Qualitäten: Erst 38 Jahre alt, schlagfertig, guter Draht zur Parteichefin Angela Merkel. Selbstverständlich bestreitet aber auch der derzeit bei der RAG beschäftigte Wittke jegliche Ambitionen: „Ich habe Demut gelernt“, so Wittke zur taz. Schließlich sei noch nicht einmal sicher, ob er den Sprung nach Düsseldorf schafft: „Listenplatz zehn ist zwar gut, aber es gibt auch Leute, die auf Listenplatz eins kein Mandat bekommen haben“, sagt der stellvertretende Landeschef.
Talente sind in der von jahrzehntelanger Oppositionsarbeit ausgezehrten NRW-CDU ohnehin rar: „Ich weiß auch nicht, wer den Job machen könnte“, sagt ein Landesvorstand. Eine Not-Option wäre der von Rüttgers geholte Generalsekretär und ehemalige Telekom-Manager Hans-Joachim Reck – doch auch der dementiert wild: „Wir befinden uns vor der Wahl und hier liegt meine Konzentration als Generalsekretär. Konstruierte Personalspekulationen dienen nun wirklich niemandem“, so Reck zur taz. Der innerparteilich umstrittene Reck ist zur Bescheidenheit gezwungen: Unlängst holte er sich von Rüttgers eine verbale Backpfeife ab, weil er sich vorschnell als Superminister ins Gespräch gebracht hatte.
Nach Zeitungsberichten könnte es nach einer Wahlniederlage ohnehin vorbei sein mit den beschaulichen Zeiten bei der NRW-CDU: Friedrich Merz, der schwarze Prinz der Dunkelheit aus dem sauerländischen Brilon soll ein Auge auf den Landesvorsitz geworfen haben, berichtet der Express. Merz könnte dann aus NRW eine Bastion gegen Parteichefin Angela Merkel putschen. Und wer in diesem Fall unter Merz den Fraktionschef im NRW-Landtag spielen darf, hat ohnehin nichts zu lachen.
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