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american pieLatrell Sprewells gesammelte Werke

David Stern, Boss der NBA, sorgt sich um das Image der Basketball-Liga und möchte ein Mindestalter für die Spieler einführen. Die Profis wittern Rassismus

„Ich habe eine Familie zu ernähren“, lautet der zweitberühmteste Satz der laufenden Saison in der Basketball-Liga NBA. Der berühmteste: „Suck my dick!“. Beide Aussagen stammen von Latrell Sprewell, Spieler bei den Minnesota Timberwolves und auch schon vorher des öfteren durch krude Äußerungen und Taten aufgefallen. So zum Beispiel, als er bei den Golden State Warriors seinen Coach P. J. Carlesimo würgte, oder als er nach seinem Wechsel zu den Wolves bei einem Spiel im Madison Square Garden gegen seinen Exklub New York Knicks deren Besitzer Scott Layden und dessen Gattin fortwährend unflätig beschimpfte.

Sprewell steht kurz nach dem All-Star-Game am letzten Wochenende (an dem er nicht teilnahm) gleich doppelt im Blickpunkt. Zum einen ist er kurz vor dem morgigen Ende der Transferperiode der heißeste Kandidat für einen Klubwechsel, nachdem er ein Angebot Minnesotas, seinen Vertrag für 29 Millionen Dollar um sieben Jahre zu verlängern, mit obigem zweitberühmtesten Satz abgelehnt hatte. Seitdem spielt er lustlos, und die Timberwolves schweben in großer Gefahr, die Play-offs zu verpassen. Deshalb feuerte Manager Kevin McHale kürzlich seinen alten Freund Flip Saunders, jenen Coach, der zehn Jahre lang die Geschicke des Team geleitet hatte, und übernahm den Posten selbst. McHales Säuberungsaktion könnten neben Sprewell auch Sam Cassell, Wally Sczerbiak oder Troy Hudson zum Opfer fallen.

Irgendwo wird Latrell Sprewell aber wieder auftauchen, was direkt zum „Suck my dick!“ führt, eine Art amerikanische Berlichingen-Variante. Gegolten hatte diese einer Zuschauerin in Los Angeles, die ihn beim Match gegen die Clippers mehrfach verspottete. Dummerweise kam das Spiel landesweit im Fernsehen, die Mikrofone transportierten den Ausruf lupenrein in die Wohn- und Kinderzimmer. Die NBA sperrte Sprewell für ein Match ohne Bezahlung, was ihn 162.000 Dollar kostete. Bei der Armenspeisung wurde seine Familie trotzdem nicht gesehen.

Nicht nur wegen Sprewell sorgt sich Commissioner David Stern um den Ruf der Liga. Dem hat auch die von Indianas Ron Artest begonnene Massenschlägerei mit Zuschauern in Detroit geschadet. Ebenfalls ein Dorn im Auge ist Stern das egoistische und arrogante Auftreten vieler Spieler. Deshalb möchte er in den neuen kollektiven Arbeitsvertrag, über den er zur Zeit mit der Spielergewerkschaft verhandelt, Maßnahmen zur moralischen Gesundung der Liga aufnehmen. Zum Beispiel ein Mindestalter von 20 Jahren. Am liebsten wäre es Stern, wenn alle Spieler wieder wie früher vier Jahre am College verbringen würden und als wohl erzogene Musterbürger mit 22 oder 23 in die NBA einstiegen, so wie weiland Michael Jordan, Larry Bird oder Magic Johnson.

Selbst Stern weiß jedoch, dass dies pure Illusion ist. Beim All-Star-Game gab es mit Grant Hill und Tim Duncan nur zwei Spieler, welche die volle College-Zeit absolviert hatten, elf waren dabei, die nie eine Uni von innen gesehen hatten – von Kobe Bryant über Kevin Garnett und LeBron James bis zu ausländischen Spielern wie Dirk Nowitzki. „Keine Ahnung, warum sie einen immer noch zwingen wollen, aufs College zu gehen“, sagt LeBron James, der mit 18 von der Highschool in die Liga kam. Das alte Argument körperlicher Unreife kann selbst Stern angesichts kraftstrotzender Athleten wie LeBron James oder Amare Stoudemire nicht mehr bringen, deshalb plädiert er auf geistige Unreife.

Rassismus, ruft da Billy Hunter, der Chef der Spielergewerkschaft, der die Altersgrenze kategorisch ablehnt. Tatsächlich geht es Stern eindeutig nicht um Leute wie Nowitzki oder Tony Parker, sondern um die jungen Schwarzen. Das Publikum der NBA ist im Wesentlichen weiß, die Spieler sind zu einem großen Teil schwarz. Eine sensible Konstruktion, vor allem, wenn sich, wie in Detroit, weiße Zuschauer mit schwarzen Sportlern prügeln. Oder eine weiße Zuschauerin Latrell Sprewell provoziert. Der ist übrigens 34 und war auf dem College. MATTI LIESKE

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