: Des Teufels Studiengebühr: Widersprüche nicht erlaubt
Von Karl Marx über Trotha bis zur taz: Alle finden an Studiengebühren auch was Interessantes. Nur die Gebührenorthodoxie kennt die Wahrheit der Bezahlteufelei
So geht es nicht. Karl Marx darf nicht zitiert werden, nicht in diesem Zusammenhang. Sonst gibt es Haue. Als die taz sich jüngst erlaubte, das Diktum des großen Alten, gebührenfreie Hochschulen promovierten nur die Klasse der Besserverdienenden, ins Gespräch zu bringen, gab es einen Aufschrei eines Teils unserer LeserInnen. Es sei unhistorisch, Marx aus dem Kontext zu lösen. Die Zeiten hätten sich geändert, heute wäre Marx gewiss … Ja, was wäre er eigentlich? Ein Gebührenfan? Einer, der das Bezahlstudium zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit einklagte? Einer, der sich im Grabe umdrehte angesichts der Kakofonie?
Es ist 130 Jahre her, dass Marx – wegen der Gebührenfreiheitsforderung der damaligen SPD – auf den Umstand verwies, wie Hochschulen sozial konstruiert sind. Dass sie einer klitzekleinen Elite gewaltige persönliche Vorteile bescherten. Dies unentgeltlich stellen zu wollen, so braucht man Marx gar nicht zu interpretieren, sondern seine Randglossen zum Gothaer Programm nur weiterzulesen, habe erstens mit einer falschen Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit zu tun. Und verrate zweitens eine „durch und durch vom Untertanenglauben der Lassalle’schen Sekte an den Staat verpestete“ Einstellung – trotz allen demokratischen Geklingels.
Gebührengegner sagen: 1. Es gibt keine gerechte Studiengebühr. 2. Das Geld geht sowieso nicht in die Unis. Und, 3., jede Form der Studienzeitsteuerung, und sei es durch Gebühren, ist des Teufels. Das ist, so kann man sagen, eine in Teilen richtige wie einseitige Interpretation. Denn sie erhebt einen Anspruch von Selbstverwirklichung und Sorglosigkeit, die für einen Anteil von rund 25 bis 30 Prozent eines Altersjahrgangs vielleicht doch eine Spur zu exklusiv ist. Mehr kommen, dürfen, sollen doch gar nicht auf die Hochschulen. Was eigentlich sollen Hauptschüler dazu sagen, denen der Zugang zum Sonnendeck des deutschen Bildungsdampfers nicht gewährt ist? Was Besucher des Kindergartens, denen in ihrer wichtigsten Bildungsphase Gebühren abgeknöpft werden, die dreimal so hoch sind wie 500 Euro je Semester, die bislang diskutiert werden?
Die Crux in der Debatte, seit der damalige baden-württembergische Wissenschaftsminister Klaus von Trotha sie aufbrachte, liegt darin, dass solcherlei Widersprüche nicht einfach zu äußern sind. Es ist ja richtig, was die Gebührengegner vortragen: dass Gebühren nie zielsicher in Unietats zu kanalisieren sind; dass ihre Erhöhung einfache parlamentarische Mehrheiten allzu leicht in Versuchung bringt; dass die Erhebung von Gebühren keinen Kitabeitrag nirgendwo abschmelzt.
Aber ist es nicht auch richtig, dass es ein gesellschaftlicher Skandal ohnegleichen ist, wenn Schule de facto ein Apartheidssystem etabliert – die Uni aber sorglos und umsonst sein soll? Kann man die Augen verschließen vor Erfahrungen aus Österreich, die zeigen, dass mehr Studierende an die Uni gehen, dass es mehr Abschlüsse gibt, mehr Mut zum Studium, mehr soziale Leistungen – obwohl dort Gebühren verlangt werden? Dass hierzulande Studentenvertreter sich allzu gemütlich in einer Pseudolinkspolitik eingerichtet haben, in Wahrheit aber längst die nützlichen Idioten einer elitären gesellschaftlichen Creme geworden sind, die sich, exklusiv und gratis, teure private Karrierevorteile an der Universität ausstellen lässt? Lassen Sie uns drüber reden. CHRISTIAN FÜLLER
„Karl Marx, die taz, die Studis und ihre Gebühren: Soziale Gerechtigkeit an der Uni heute.“ Leipzig, Moritzbastei, 1. März, 19 Uhr. Moderation: Anna Lehmann (taz), Kevin Grecksch (Student) Podium: Malte Herzoff (Studierendengesellschaft Uni Witten), Nele Hirsch (fzs), Henning Schulze (StuRa Leipzig), Peer Pasternack (Hochschulforscher), Christian Füller (Politikredakteur taz)
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