: Seehunde mit Sonnenbrand
KLIMAWANDEL In Nord- und Ostsee steigen die Temperaturen noch stärker als befürchtet. Klimaforscher warnen vor heißen Sommern, nassen Wintern und steigenden Pegeln
Klimaforscher Hans von Storch
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Noch stärker als bislang befürchtet heizt der Klimawandel Nord- und Ostsee auf. Nach einer Auswertung des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg lagen die Wassertemperaturen in der Nordsee im Juni mit durchschnittlich 12,8 Grad um 0,8 Grad über dem langjährigen Mittel. Auch die tieferen Wasserschichten hätten sich stark erwärmt. „Der Erwärmungstrend der Nordsee wird damit bestätigt“, sagt BSH-Wissenschaftler Hartmut Heinrich.
Normalerweise dauern die Zyklen von Warm- und Kaltphasen in Nord- und Ostsee acht bis zwölf Jahre. Die jetzige Warmphase währt aber bereits seit 1987 – und ein Ende ist nicht in Sicht. Denn auch in den zunehmend milderen und verstärkt eisfreien Wintern kühlten die tieferen Wasserschichten nicht mehr unter das langjährige Mittel ab.
In der Deutschen Bucht hätten sich die Wassertemperaturen am Boden im Sommer im Schnitt bei zwei Grad über dem Mittelwert eingependelt. Dort werden derzeit Temperaturen um 13 Grad gemessen. In den 80er und 90er Jahren waren es noch 11 Grad.
Im Arkonabecken in der westlichen Ostsee hat sich das Wasser noch stärker aufgeheizt: Der langjährige Durchschnittswert in 40 Metern Tiefe für den Juni liegt bei knapp sieben Grad – seit etwa 2000 wird dort eine um vier Grad höhere Temperatur gemessen.
Wegen des steigenden Meeresspiegels werde Norddeutschland vom Klimawandel besonders hart getroffen, prophezeit Hans von Storch, Leiter des Instituts für Küstenforschung am Forschungszentrum Geesthacht (GKSS). „Da muss man wirklich etwas tun – etwa die Deiche erhöhen oder den einen oder anderen Polder im Extremfall volllaufen lassen“, sagte er in einem dpa-Gespräch. Derzeit zeige sich der Klimawandel vor allem an der Erwärmung: „Die Wahrscheinlichkeit für warme Sommer nimmt zu. Es gibt zwar noch miserable Sommer, aber die sind seltener geworden.“
Bis 2030 werden sich die Temperaturen nach jetzigen Erkenntnissen um vermutlich ein Grad erhöhen. Im Sommer wird es den Berechnungen zufolge zudem etwa zehn Prozent weniger Regen geben, im Winter dagegen mehr. Der Meeresspiegel steigt nach Storchs Angaben in den nächsten zwei Jahrzehnten um voraussichtlich etwa 20 Zentimeter.
Unter dem Motto „Forschung vor Anker“ stechen Küstenforscher des GKSS am Montag mit dem Forschungsschiff „Ludwig Prandtl“ zu einer einwöchigen „Open Ship Tour“ in die Nordsee. Interessierte sollen über Meeressäuger wie Seehunde oder Schweinswale und die Auswirkungen des Klimawandels in Norddeutschland aufgeklärt werden. Start ist am 6. Juli im Hafen von Büsum, nach Stationen in Tönning, Husum und Wyk auf Föhr endet die Reise am 10. Juli in Hörnum auf Sylt.