piwik no script img

MICHA BRUMLIK GOTT UND DIE WELTDas Opfer der Monika Auweter-Kurz

Züge einer grundgesetzwidrigen Machtkonzentration

Nein, keine Angst, Monika Auweter-Kurz, genannt „Raketenmoni“, bislang Präsidentin der Hamburger Universität und seit Freitag mit einer höchst ansehnlichen Abfindung ihres schönen Amtes entledigt, ist wohlauf.

Ihr erging es nicht wie dem in der Bibel bekundeten König Belsazar, der ob seiner Hybris eine Flammenschrift an der Wand lesen musste: „Mene, Mene tekel upharsin“. Gewogen, gewogen und zu leicht befunden … Heinrich Heine hat die biblische Geschichte in einem berühmten Gedicht zu Ende gebracht: „Belsazar aber ward in selbiger Nacht / von seinen Knechten ungebracht.“ Auweter-Kurz ist nur in Stuttgart.

Feministisch gesonnene BeobachterInnen werden zu Recht bemerken, dass es ungerecht und typisch ist, dass von vielen ähnlich machtbesessenen Universitätspräsidenten nun gerade eine Frau als erste abgesetzt wurde. Aber womöglich hat sie ja wirklich Machtbefugnisse, die dieses Amt bietet, in karikaturistischer Weise überzogen. Freilich war auch diese Übertreibung nur Ausdruck einer tiefer liegenden pathologischen Fehlentwicklung, die zu benennen der Bildungsstreik der Studierenden ermöglichte. Das liberal-konservative Feuilleton und die anspruchsvolle Wochenpresse sekundierten unisono: Bologna ist gescheitert! Gleichwohl trauen sich noch keine aktiven Politiker aus ihrem Mauseloch, allenfalls solche, deren Tage im Amt gezählt sind.

So der wohl scheidende Bundestagsabgeordnete der FDP, der Gründer der privaten Hochschule Witten-Herdecke, Konrad Schily, der sich vernichtend über Bologna, B. A. und M. A. auslassen durfte. So die Nochbundeswissenschaftsministerin Schavan, der nun Zweifel am Sinn des sechssemestrigen B. A. kommen. So der ehemalige sächsische Wissenschaftsminister Meyer, der die Übernahme angelsächsischer Modelle kritisiert.

Immerhin bewegt sich sogar das eine oder andere Universitätspräsidium millimeterweise – vorsichtig wie beim Mikadospiel. In Frankfurt am Main sollen bei der Einstufung von Professoren (jedenfalls in den Geisteswissenschaften) demnächst Monografien wieder mehr zählen als Aufsätze. Der Präsident der Freien Universität Berlin soll sogar der Einführung eines achtsemestrigen B. A. im Fach Politikwissenschaft zugestimmt haben. Auch die Präsidentin der Universität Potsdam denkt laut über eine Änderung der B.-A.-Studiengänge nach. Sogar der Vorsitzende des Wissenschaftsrates äußert behutsam Zweifel. Es denkt also – aber bisweilen mit falschen Argumenten.

Vom Ural bis Sibirien

So polemisierte die Kritik an Bologna immer wieder gegen den neoliberalen Charakter dieser „Reform“. Zu Unrecht! Was da als neoliberal gilt, ist nichts anderes als die nach dem Ende der Sowjetunion nachweislich gescheiterte Planwirtschaft. Was bei der Zuteilung von Südfrüchten und Wintermänteln vom Ural bis Sibirien nicht ging, funktioniert auch bei zu Modulen zugeschnittenen Wissenshäppchen nicht.

Untaugliches Planwirtschaften hier, antidemokratische Führerverfassung dort. Die meisten neuen Präsidialverfassungen tragen Züge einer grundgesetzwidrigen Machtkonzentration. Wohin diese Machtbefugnisse politisch unerfahrene, vor allem Laborluft atmende Forscher, also weltfremde ForscherInnen führen können, hat der Hamburger Fall schlagartig bewiesen. Das alles darf der Politik nicht egal sein.

Universitäten sind ebenso wenig mit Unternehmen gleichzusetzen wie Kirchen, Parlamente oder Familien. Universitäten sind korporativ verfasste Gemeinschaften zum Zweck wissenschaftlicher Wahrheitssuche. Progressive BildungspolitikerInnen sollten daher nach der Sommerpause schnellstens die Hochschulgesetze der Länder novellieren. Zuallererst sollten sie die Hochschulräte, das heißt den Einfluss der Wirtschaft ersatzlos abschaffen und die Senate, die Selbststeuerung der Wissenschaft stärken.

Damit die Universitäten künftig nicht mehr von PräsidentInnen, die von der Jagd nach Drittmitteln besessen sind, geleitet werden. Sondern wieder von Rektoren, Primis inter Pares, Ersten unter Gleichen, die im Konsens agieren. Auf dass das Opfer der Monika Auweter-Kurz nicht umsonst gewesen sein möge.

■ Der Autor ist Professor an der Uni Frankfurt/Main

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen