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Die Selbstverwaltung der Krankenkassen fördert den KlüngelGewählte Verschleierung

Was sich da Vorstände der Krankenkassen an Gehältern leisten, ist in der freien Wirtschaft durchaus üblich. Gesetzliche Krankenkassen aber sind prekäre Zwitter: Einerseits sind sie dem sozialen Ausgleich verpflichtete öffentliche Institutionen. Andererseits wurden die Kassen in den letzten Jahren immer mehr auf Wettbewerb getrimmt. Doch ein Leitbild, das gemeinnütziges Unternehmertum und öffentliches Management jenseits von Klüngel und Vetternwirtschaft verbindet, sucht man in Deutschland vergebens. Kein Zufall daher, dass sich die Gehälter der Kassenvorstände an denen der freien Wirtschaft orientieren – mit dem Segen der Verwaltungsräte.

Von der Politik ist keine Intervention zu erwarten. Sie profitiert von den nebulösen „Organen der Selbstverwaltung“: Unpopuläre Sparmaßnahmen können auf Bundesausschüsse und Kassenvorstände abgeschoben werden, deren Legitimation für die Bürger im Dunkeln bleibt. Verantwortlichkeiten können so verschleiert und der öffentlichen Aufmerksamkeit entzogen werden.

Doch bestimmen wir Versicherte bei den bald stattfindenden Sozialwahlen nicht selbst mit über die Gehälter der Kassenvorstände? Die werden von den Verwaltungsräten abgenickt, die in der Regel je zur Hälfte von den Arbeitgebern und von den Versicherten bestimmt werden. Dies klingt basisdemokratisch, ist es aber nicht. Aufgrund des geringen öffentlichen Interesses an den Sozialwahlen wird mit den etablierten Listen von Arbeitgebern und Versichertenvertreter noch immer häufig eine „Friedenswahl“ praktiziert: Benannte Kandidaten gelten mangels Alternativen automatisch als gewählt. Eine Hand wäscht dann die andere.

Sollten sich deshalb kritische Gesundheitsinitiativen, Anhänger von Naturheilkunde oder Kritiker der Gentechnik bei den Sozialwahlen auf den aufreibenden „Marsch durch die Institutionen“ begeben? Sie sollten. Denn auch wenn ein Scheitern oder eine Vereinnahmung wahrscheinlich sind, könnten diskriminierende Praktiken und Mechanismen so offen gelegt werden, die heute eine Selbstverwaltung verhindern. HARRY KUNZ

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