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So wird Köhler nie Kanzler

1. Nützt diese Aussage den 5,216 Millionen Arbeitslosen?

Ja. Köhlers zentrale Forderung wird Folgen haben. Vorfahrt für Arbeit? Wer kann dazu schon Nein sagen? Niemand kann es wagen, dem neuen Schutzmann aller Arbeitslosen noch zu widersprechen. Auch die rot-grüne Koalition wird sich daran messen lassen, ob sie in Zukunft wirklich alles, was sie tut, dem Ziel unterordnet, mehr Jobs zu schaffen. Kleiner Nachteil: Darüber, was Jobs schafft, gehen die Meinungen weit auseinander. Köhler schließt sich den Arbeitgebern an, die in zu viel Bürokratie, zu viel Steuern und zu hohen Löhnen die Haupthindernisse sehen. Werden diese abgebaut, kann es vielleicht mehr Jobs geben – Billigjobs.

2. Wer muss dafür bezahlen?

Nimmt man Köhler wörtlich: Alle. Wirklich alles der Arbeitslosigkeitsbekämpfung unterzuordnen, würde bedeuten, dass alle auf etwas verzichten müssten. Das ist kein Wahlkampfhit. Verlieren werden also vor allem jene, denen es nicht gelingt zu beweisen, dass ihr Anliegen Arbeitsplätze schafft. „Was anderen Zielen dient, und seien sie noch so wünschenswert, ist nachrangig“, sagt Köhler. Setzt sich diese Sichtweise durch, bleibt politisch insbesondere Gewerkschaften und Grünen nicht viel übrig. Antidiskriminierungsgesetz, Umweltschutz? Alles viel zu teurer Firlefanz. Köhlers Leitsatz bedeutet aber auch eine Steigerung der Unions-Maxime, wonach sozial ist, was Arbeit schafft. Das Wort sozial kommt in seinem Satz gar nicht mehr vor. Materiell dürften so vor allem die Arbeitnehmer zu weiterem Verzicht auf Lohnerhöhungen und Sozialleistungen gezwungen werden.

3. Der Phrasenfaktor: Ist das machbar?

Nur zum Teil. Siehe Wahlkampf- und Verzichts-Probleme.

4. Wer wird mit diesem Vorschlag Kanzler?

Alle, die nicht auf SPD-Linke oder Öko-Grüne angewiesen sind. LKW

1. Nützt diese Forderung den 5,216 Millionen Arbeitslosen?

Grundsätzlich ja. Wenn die Arbeitgeber nur noch den puren Stundenlohn zahlen und sonst gar nichts, sind die Arbeitnehmer für sie ja so billig wie Schwarzarbeiter. Und dann findet sich zumindest für die jetzigen Schwarzarbeiter bestimmt ein Job.

2. Wer muss dafür bezahlen?

Das hängt davon ab, wer künftig für Gesundheit, Rente, Pflege und Arbeitslosengeld aufkommen muss. Gegenwärtig teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Kosten dafür. Köhler rechnet wie ein Arbeitgeber: Die Arbeitgeberhälfte der Sozialabgaben plus Weihnachts- und Urlaubsgeld nennt er „Lohnnebenkosten“. Diese müssten sinken. Die soziale Sicherung solle ins Steuersystem ausgelagert werden (Weihnachts- und Urlaubsgeld streicht er offenbar).

Es gibt allerdings keinen haltbaren Beleg dafür, dass geringere Lohnnebenkosten Arbeitsplätze schaffen – wenn Gesundheit, Rente, Pflege und Arbeitslosigkeit weiter bezahlt werden sollen. Köhler nutzt hier bloß ein CDU-Argumentationsschema: Er verlangt Steuerfinanzierung, will aber die Steuern nicht erhöhen. Hierzu müsste er die soziale Sicherung auf ein Minimalprogramm beschneiden. Den Rest besorgen dann die Versicherungskonzerne. Draufzahlen würden insbesondere Kranke, Rentner und alle ohne Privatversicherung. Verhindert würde dies nur unter einer Bedingung: dass alle Besserverdiener mehr Steuern zahlen.

3. Der Phrasenfaktor: Ist das machbar?

Die soziale Sicherung hängt in Deutschland seit je an der Arbeit. Ein Umstieg auf Steuerfinanzierung ist allenfalls schrittchenweise vorstellbar.

4. Wer wird mit diesem Vorschlag Kanzler?

Mit höheren Steuern: Oskar Lafontaine. Oder Andrea Nahles. Ohne höhere Steuern: Angela Merkel. UWI

1. Nützt diese Aussage den 5,216 Millionen Arbeitslosen?

Sehr klar drückte sich der Bundespräsident nicht aus, aber offenbar will er beim Sozialstaat kürzen. Die Arbeitslosen wären davon zunächst nicht betroffen. Sie leben bereits auf niedrigstem Niveau. Für alle Langzeitarbeitslosen gilt seit den Hartz-Reformen sowieso, dass ihr „einmal erreichter Lebensstandard“ keine Rolle spielt. Sie bekommen schlicht den Sozialhilfesatz, der für Singles im Westen bei 345 Euro im Monat liegt. Köhler dürfte es nicht so gemeint haben, aber sein Satz ließe sich sogar als die Forderung lesen, dass die Langzeitarbeitslosen mehr Geld erhalten. Denn die Wohlfahrtsverbände haben errechnet, dass der Sozialhilfesatz 19 Prozent unter dem „soziokulturellen Existenzminimum“ liegt. Die Arbeitslosen bekommen nicht mal genug Geld, um vor Not geschützt zu sein.

2. Wer muss dafür bezahlen?

Kein Witz: Vielleicht Köhler selbst. Denn am erreichten Lebensstandard orientieren sich bisher vor allem Renten und Pensionen. Wenn der Bundespräsident auf eine Art Grundrente für alle zielen sollte, dann werden auch die jetzigen Rentner und Demnächst-Pensionäre nicht geschont.

3. Der Phrasenfaktor: Ist das machbar?

Nur marginal. Man kann an der Pflegeversicherung herumbasteln und das Rentenniveau leicht senken; man kann die Freizeitunfälle aus den Krankenkassen nehmen und Zahnarztkosten privatisieren. Aber dann ist Schluss. In den letzten 100 Jahren haben die politischen Regime in Deutschland mehrfach gewechselt – aber die Sozialversicherungssysteme erwiesen sich als erstaunlich konstant.

4. Wer wird mit diesem Vorschlag Kanzler?

Niemand, zu unpopulär. Deswegen bleibt Köhler Bundespräsident. UH

1. Nützt dieser Vorschlag den 5,216 Millionen Arbeitslosen?

Nein. Denn egal wie man das Steuersystem gestaltet: Steuern sind fast unbedeutend in Deutschland. Im internationalen Vergleich liegen sie sensationell niedrig. Außerdem werden schon jetzt durch die letzten Steuerreformen etwa 60 Milliarden Euro jährlich verschenkt – dennoch entstanden keine neuen Arbeitsplätze, wie die Schreckenszahl der 5,216 Millionen zeigt.

2. Wer muss dafür zahlen?

Eigentlich wäre gegen eine Steuervereinfachung nichts zu sagen. Es ist unstrittig, dass die wenigen Steuern in Deutschland äußert ineffizient eingetrieben werden. Es gibt zu viele Schlupflöcher und Subventionen. Dennoch ist Misstrauen angesagt: Die vergangenen Steuerreformen waren keinesfalls gerecht; die Großkonzerne haben besonders profitiert. Zudem sind niedrige Steuersätze nicht per se gut, weil dem Staat dann das Geld fehlt, um in Bildung und Infrastruktur zu investieren. Niedrigsteuern bedeuten also einen Verlust an Arbeitsplätzen.

3. Der Phrasenfaktor: Ist das machbar?

Die große Steuerreform wird nicht kommen. Denn entweder kostet sie sehr viel Geld – oder aber die Widerstände bei vielen Wählergruppen wären zu vehement, da man ihnen ja Subventionen nehmen will. Deutschland wird also weiter mit dem Finanzchaos leben. Aber kleine Steuergeschenke dürfte der Kanzler schon morgen ankündigen. Die Versuchung ist einfach zu verlockend, sich die Wählergunst zu erkaufen.

4. Wer wird mit diesem Vorschlag Kanzler?

Friedrich Merz jedenfalls nicht. Er hat es nicht einmal geschafft, mit seiner großen Bierdeckel-Steuerreform stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender zu bleiben. UH

1. Nützt diese Aussage den 5,216 Millionen Arbeitslosen?

Klar. Erstens wissen sie jetzt, woran sie sind: Klarer kann man die Maxime des Kapitalismus nicht zur Staatsräson erheben. Zweitens erfahren sie, dass Bundespräsidenten à la Johannes Rau Ausreißer der Geschichte waren. Deren Moral-Gedöns über die soziale, christliche oder gar ökologische Verantwortung von Unternehmen, das kann Deutschland sich nicht länger leisten.

2. Wer muss dafür bezahlen?

Horst Köhler – mit seiner Glaubwürdigkeit. Durchaus erfolgreich hatte er sich im knappen Jahr seit seiner Wahl vom Image des Business Man gelöst. Den Erfolg, ein Überparteiischer zu sein, setzt er jetzt aufs Spiel. Schon möglich, dass der Präsident nur eine Banalität aussprechen wollte, dass nämlich Gewinne gut für die Konjunktur und eine brummende Konjunktur gut gegen Arbeitslosigkeit sind. Doch Köhler verkennt, dass kein Satz des Bundespräsidenten bloß Fakten feststellt, sondern immer auch Normen setzt: Wenn das Staatsoberhaupt den Gewinn zum Wert an sich ausruft, lässt er den Kapitalismus vom Zügel – er streicht das „sozial“ aus Ludwig Erhards Marktwirtschaft.

3. Der Phrasenfaktor: Ist das machbar?

Ganz so effizient wird Deutschland nicht durchrationalisiert werden. Schuld daran sind auch die Wirtschaftsverbände, wie Köhler in einer der wenigen kecken Redepassagen anmerkte. Die Arbeitgeber forderten gerne den Bürokratieabbau, so der Präsident, und würden doch mit ihrem Lobbyismus viele Gesetze erst kompliziert machen.

4. Wer wird damit Kanzler?

Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände. Der Gastgeber für Köhlers Rede hörte den Gewinn-Appell – und überhörte den Lobbyismus-Vorwurf. PAT

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