: Aus Zwischenablagen
Informationszeitalter hin oder her: Vereinzelt setzen Hamburgs CDU-Parlamentarier mehr denn je auf die unmittelbare Kommunikation
Von Alexander Diehl
Anders als seine Vorgänger steht der politische Konservatismus dem Voranschreiten nicht mehr grundsätzlich ablehnend gegenüber. Aufgehoben in den Unionsparteien, vereinbart er hierzulande reaktionäre Positionen mit christlich-sozialen, wirtschaftlich-liberalen oder eben technisch-fortschrittlichen. Umso mehr in seiner aufgeschlossenen Grossstadt-Variante.
Nehmen wir Hamburgs CDU: Weit entfernt davon, ein bloßer Ole-von-Beust-Wahlverein zu sein, versteht sie sich als Aufbrecherin von Verkrustungen, Abschneiderin alter Zöpfe und Bärte, überhaupt als Bringerin frischen politischen Windes. So ist unter ihrer Regentschaft die Verwaltung zukunftsfähiger geworden; auch und gerade, indem vieles zuvor ausschließlich in Papierform zu Erledigende nun per Online-Formular besorgt werden kann.
Wie ist es aber um die Zukunftsfähigkeit der Hamburger Christdemokratie selbst bestellt, wie um die Online-Affinität ihrer Parlamentarier? Sitzen in der Mehrheitsfraktion „User“ oder „Loser“ – jene zwei Gruppen, in die das Informationszeitalter die Menschheit teilt?
Als Indiz soll hier das Verhältnis der 63 CDU-Bürgerschaftsabgeordneten zur Onlineplattform www.abgeordnetenwatch.de dienen. Betrieben vom Verein „Mehr Demokratie“, wird dort das Abstimmungsverhalten aller drei Fraktionen dokumentiert; zudem können Fragen an einzelne Parlamentarier gerichtet werden – manchmal wird sogar geantwortet. Nichts vorzuwerfen haben sich da etwa die CDU-Abgeordneten Beuß und Jäger: Beide haben – Stand gestern, 16 Uhr – fünf an sie gerichtete Fragen beantwortet; auch ihre Kollegen Hochheim, Heinemann und Hesse (je vier), Dietrich und Eggers (beide zwei) oder auch Machaczek, Mattner und Okun (je eine) taten das.
Andere hinken leicht hinterher, vorbildlich dagegen zeigt sich Olaf Böttger, der auf zehn Fragen elf Antworten zu formulieren wusste. Das Fleißbildchen stünde dem Fraktionsvorsitzenden Bernd Reinert zu: stolze 50 Fragen, allesamt mit Antworten.
Und dann gibt es da Christoph Ahlhaus. Zunächst stellt sich auch seine Bilanz respektabel dar: 26-mal fragte das Wahlvolk, 26-mal antwortete der CDU-Landesgeschäftsführer. Bei genauem Hinsehen zeigt sich indes: Alle 26 Repliken sind so identisch wie ausweichend, es variieren einzig Datum und Anrede. Und sie weisen Ahlhaus als echten Skeptiker aus: Er „halte dieses Forum nicht für das geeignete Medium für den persönlichen Kontakt zwischen Bürgern und Abgeordneten“, lesen wir da jedesmal aufs Neue. „Wegen Ihres Anliegens stehe ich Ihnen aber selbstverständlich gerne zu einem persönlichen Gespräch zur Verfügung.“ Es folgen Telefon- und Faxnummer, Post- und E-Mailadresse von Ahlhaus‘ Abgeordnetenbüro. „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich den persönlichen Kontakt einer anonymisierten Dialogform vorziehe.“
Mit dem erhofften Verständnis ist es unter den – zugegebenermaßen kaum repräsentativen – Seitenbesuchern allerdings nicht weit her: Durchaus verärgert bezeichnen da sogar erklärte CDU-Wähler Ahlhaus‘ Copy-und-Paste-Antworten als „banales Wegtauchen“. Und selbst der medienpolitische Sprecher der außerparlamentarischen Hamburger Freidemokraten, Burkhardt Müller-Sönksen, erntete den Sermon aus der Zwischenablage.
Ohne Ahlhaus daraus einen ernsten Vorwurf stricken zu wollen: Gestern Nachmittag war er unter der besagten Telefonnummer nicht für eine Stellungnahme erreichbar.
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