: Macht Tofu alles wieder gut?
KLARSTELLUNG Was der Artikel über Sojaprodukte wirklich sagen wollte, trotz der Missverständnisse
VON TILL EHRLICH
BERLIN taz | Mein kleiner, viel zu kurzer Artikel hat etliche LeserInnen pro und kontra Tofu mobilisiert. Deshalb möchte ich meine Position als Autor, der sich mit ess- und geschmackskulturbezogener Publizistik beschäftigt, noch einmal darlegen.
Ich betrachte Tofu nicht in seiner Rolle als Eiweißlieferant; ich frage, ob er ein wesentlicher und geschmacksprägender Bestandteil unserer Esskultur und Gastfreundschaft ist und mehr bedeutet als die Versorgung des Körpers mit lebensnotwendigen Nährstoffen. Es trifft auch zu, dass Soja in Südamerika überwiegend als Tierfutter für die Massenfleischproduktion erzeugt wird und dafür der Regenwald zerstört wird, was zudem katastrophale soziale Auswirkungen hat.
Ich habe aufgrund der mir sehr einleuchtenden Dissertation von Joachim Drews („Die ,Nazi-Bohne‘; Anbau, Verwendung und Auswirkung der Sojabohne im Deutschen Reich und Südosteuropa 1933–1945“, Münster 2004, S. 9.–24, 166–191) kurz erwähnt, dass industrielle Sojaprodukte (Bratlinge usw.) als Ersatznahrung mithilfe von Konzernen und Wegbereitern wie der I.G. Farben technologisch entwickelt worden sind. Der Konsum von Sojaprodukten ist bei uns seit den Anfängen des Vegetarismus mit all seinen ideologischen und fundamentalistisch-religiösen Ausprägungen verbunden. Das Gleiche kann für die Lebensreformbewegung Ende des 19. Jahrhunderts wissenschaftlich nachgewiesen werden. Hier beziehe ich mich auf den umfangreichen Katalog von Kai Buchholz u. a. (Hg.): „Die Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst um 1900“, Darmstadt 2001, Bd. 1, S. 529 f. und Bd. 2, S. 585–591.
Ein ideologiefreier Diskurs ist in dieser Sache schwer herzustellen. Mein Versuch, das Thema ideologiekritisch von kulturwissenschaftlicher Seite her anzugehen, ist gründlich missverstanden worden. Ich möchte noch einmal betonen, dass es mein Ziel war, auch aus meiner früheren beruflichen Praxis als Koch heraus, den Tofu in seiner Verkleidung (als Schnitzel, Schaschlik, Gulasch etc.) als einen für die Esskultur problematischen Ersatzstoff zu beschreiben, der momentan im Trend liegt und gehypt wird. Tofu ist die Speerspitze des Marketings, mit dem die Soja-Food-Industrie Images propagiert wie ewige Jugend, Fitness, Ökologie, Wellness oder Gesundheit. Auch Veganer und Vegetarier werden dabei als Trendsetter instrumentalisiert – wofür man ihnen freilich keinen Vorwurf machen kann und darf. So vermarktet eine Bio-Tofu-Firma ihre „Veggiefresh Bratwurst“ auch mit dem Slogan „Tofu macht alles wieder gut“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen