Kunstrundgang: Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um
Die Sachsen kommen. Nein: Sie sind schon da. Seit dem 19. März klumpen sie gleich am Anfang der Brunnenstraße zusammen und bilden dort ein Nest. Sie heißen „Diskus“ und kommen aus Dresden oder „amerika“ und stammen entsprechend aus Leipzig. Die Invasion ist ernst zu nehmen, das zeigt das Interesse an zeitgenössischer Kunst, das die CDU-Chefin Angela Merkel plötzlich verspürte und sie zu einem Besuch in der Brunnenstraße veranlasste.
Ob „Diskus“ oder „amerika“: das Prinzip der Produzentengalerie lebt wieder auf, wie es sich in den zwei Jahren, in denen „Liga“ existierte, bewährt hat. Auch Ex-Liga-Coach Christian Ehrentraut hat sich mit ins Nest an der Brunnenstraße gesetzt. Im Hinterhof, im ersten Stock zeigt er Stefan Roigk, Jahrgang 1974. Er hat seine sparsamen Umrisszeichnungen an der Wand auch in ein minimalistisch-weißes Luftkissenensemble am Boden übersetzt. Ehrentraut will hier nicht nur, wie auch zuvor, etablierte und unbekanntere Künstler vorstellen, sondern auch Projekte in auswärtigen Galerien und Institutionen vorbereiten, also kuratieren.
Im Vorderhaus bei „amerika“ in der Ausstellung „A 1“ fallen besonders Viktoria Binschtok (1972, Moskau) und Alexej Meschtschanow (1973, Kiew) auf. Binschtok nutzte ihr Atelierstipendium in New York und fotografierte in den dortigen Straßen Louis-Vuitton-Taschen und -Täschchen am Arm und an der Hand der jeweiligen Besitzerin, deren restliche Gestalt und ihren Habitus man sich imaginieren muss. Meschtschanow erklärt Stühle, Tische und Sessel zur Kunst, indem er sie aufs Podest stellt. Dabei ist das Podest die interessante und neue Errungenschaft: ein weißes Metallgestell, das an Prothesen oder Krankenhausbetten erinnern. Mehr dieser Gestelle sind ab dem 2. April auch in der Galerie Alexandra Saheb zu sehen.
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