: Schwarzmarkt – grob gerechnet
Bundesfinanzminister Eichel schätzt Schattenwirtschaft auf 356 Milliarden Euro im Jahr. Sein eigener Experte relativiert die Zahl. Rund 150 Milliarden Schwarzarbeitslöhne
BERLIN taz ■ Im Kampf gegen die Schwarzarbeit will Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) das Personal aufstocken. Die Ermittlungsgruppe „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ soll von derzeit 5.200 auf 7.000 Beamte erweitert werden, erklärte Eichel gestern auf der alljährlichen Pressekonferenz des Zolls in Weil am Rhein.
Das Volumen der Schattenwirtschaft betrug nach Angaben Eichels im vergangenen Jahr rund 356 Milliarden Euro, 14 Milliarden Euro weniger als 2003. Für 2005 zeichne sich ein weiterer Rückgang ab.
Die Ermittler hätten im vergangenen Jahr Schäden in Höhe von 475 Millionen Euro aufgedeckt, so Eichel. Dazu zählten nicht bezahlte Steuern und Abgaben sowie erschlichene Sozialleistungen. In mehr als 91.000 Fällen seien Strafverfahren eingeleitet worden. Mehr als 52.000 Fälle seien mit einem Bußgeld geahndet worden.
Die Angaben zum Volumen der Schattenwirtschaft, auf die sich Eichel beruft, sind allerdings umstritten. Sie beruhen auf Berechnungen des österreichischen Ökonomen Friedrich Schneider aus Linz. Schneider setzt dabei den gemessenen Bargeldumlauf in ein Verhältnis zu den offiziell registrierten wirtschaftlichen Transaktionen und schätzt daraus das Volumen der Schattenwirtschaft, das Kritikern als viel zu hoch erscheint.
Im Gespräch mit der taz erläuterte Schneider, dass die 356 Milliarden Euro ein Wert für die Schattenwirtschaft seien, nicht aber für die gezahlten Schwarzarbeitslöhne. „Da wird vieles missverstanden“, so Schneider.
Laut Schneider errechnet sich das Volumen der Schwarzarbeiterlöhne, indem man von den 356 Milliarden Euro die Materialkosten, in das Ausland transferiertes Schwarzgeld und Doppelzählungen abziehe. Dann blieben nur noch 200 Milliarden Euro übrig; von diesen müsse man noch 50 Milliarden abziehen, die der organisierten Kriminalität zuzuordnen seien. Die an die SchwarzarbeiterInnen gezahlten Löhne in Deutschland lägen dann bei etwa 150 Milliarden Euro im Jahr.
Wie Schneider erklärte, arbeiteten rund 9 bis 12 Millionen Menschen in Deutschland schwarz. Das errechne sich daraus, dass etwa ein Viertel der Erwerbstätigen in Umfragen erklärt hatten, nebenbei tätig zu sein. Kritikern erscheint diese Schätzung als fragwürdig: Danach müssten die SchwarzarbeiterInnen im Schnitt jährlich ca. 15.000 Euro nebenbei verdienen. Das Schneider’sche Messverfahren sei „dubios“, bemängelte der Münchner Publizist Ulrich Sedlaczek im Gespräch mit der taz.
BARBARA DRIBBUSCH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen