: Drei Gänge auf der Schiene
DRAISINE Mit dem Schienenrad durch den Naturpark Lauenburg. Ein Erlebnisbericht
Die Draisinenfahrt von Schmilau nach Hollenbek dauert etwa drei Stunden und kostet 9,50 Euro pro Person. Weitere Informationen: ☎ 04541 / 89 80 74. Wer woanders auf Schienen fahren möchte, kann unter vielen Anbietern wählen:
■ Vom nordfriesischen Leck aus führt eine 23 Kilometer lange Draisinenstrecke nach Unaften – eine der längsten Strecken im Norden. Buchung unter ☎ 04841 / 93 97 47
■ Auf der stillgelegten Werksbahn des Kraftwerks Ost-Hannover bei Lüneburg rollen Fahrraddraisinen für bis zu vier Personen. Einige Geräte sind für Rollstuhlfahrer geeignet. Abfahrtsort ist Alt Garge. Preis je Gerät: 28 Euro. Infos unter www.ig-draisine-elbtalaue.de
■ Von St. Michaelisdonn bis nach Marne führt eine acht Kilometer lange Strecke. Eine Besonderheit sind Windsegel an den Draisinen, die für ordentlich Fahrt sorgen. Preis pro Draisine und Fahrt: 15,50 Euro. Buchung unter: ☎ 04853 / 80 73 05
■ Quer durch das Hasetal können Gruppen und Paare fahren. Dabei können sie wählen zwischen Handhebel- oder Fahrraddraisinen. Abfahrtsorte sind Bippen und Fürstenau. Die Preise beginnen bei sechs Euro pro Person. Informationen unter: www.hasetal.eu
VON UTA GENSICHEN
Ich hätte die Ratschläge des Draisinen-Vermieters ernster nehmen sollen. Seit fünf Minuten sitzen mein Begleiter und ich auf dem blauen Schienenfahrzeug, fahren durch den Naturpark Lauenburgische Seen und ich denke leicht nervös an die Hinweise zurück. Für den dreistündigen Ausflug mit dem Schienenfahrrad sollten Sie gute Laune mitnehmen, einen Picknickkorb, feste Schuhe und lange Hosen, raten die Veranstalter der Erlebnisbahn Ratzeburg auf ihrer Homepage.
Wir haben fast alles dabei: super Laune, Käsebrötchen und einigermaßen festes Schuhwerk. Weil die Sonne an diesem Juli-Nachmittag die Waldluft auf weit mehr als 20 Grad erhitzt, mache ich bei der Hosen-Regel allerdings eine Ausnahme. Mit nackten Waden gehen wir also die etwa 18 Kilometer lange Strecke von Schmilau über Hollenbeck und zurück an. Die Fahrraddraisine ist wie der Name schon sagt eine Mischung aus Draisine und Drahtesel. Charlie Chaplin musste sich in seinen Stummfilmen noch mit einer handbetriebenen Draisine abmühen, um Dampfloks zu verfolgen. Die Draisine der Moderne aber wird mit purer Beinkraft angetrieben.
Ein Fahrradgestell steht auf jeder Seite des Stahlvehikels, dazwischen eine kleine Holzbank für Taschen oder müde Fahrer. Drei Gänge, Pedale, Bremsen – mehr braucht es nicht, um auf Schienen zu fahren. An das anfängliche Rattern und Ruckeln habe ich mich schnell gewöhnt. Mulmig wird mir allerdings zumute, wenn wir Weichen überqueren. Was, wenn jemand die Weichen verstellt hat und wir in den Busch fahren? Doch die Frage verhallt im Königsmoor. Ich blicke über meine Schulter in die Ferne. Sicherheitshalber, man weiß ja nie, ob nicht aus dem Dunkel des Waldes plötzlich eine Dampflok stampft. Doch da ist nichts, nur Bäume und die zurückliegenden Weichen.
Schwitzend, im schwersten Gang, trampeln wir weiter die Schienen entlang. Erst jetzt spüre ich ein unangenehmes Kribbeln. In der ersten Euphorie war mir wohl entgangen, was am Wegesrand der stillgelegten Schienen gedeiht: Brennnesseln. Mit jedem Tritt in die Pedale streift mein rechtes Bein die grünen Blätter. Langsam beginnt es zu jucken. Darum sollten wir also lange Hosen anziehen, denke ich und kralle meine Finger um den Lenker.
Kurze Zeit später darf ich absteigen. Eine rot-weiße Schranke versperrt uns den Weg. Ich ziehe mir, wie es uns bei der Einweisung gezeigt wurde, die grell-orangefarbene Warnweste an. In der linken Hand habe ich eine Warnflagge, mit der rechten drücke ich die Schranke in die Höhe. Nun schnell die Draisine über die staubige Landstraße schieben, die zweite Schranke öffnen und weiter geht es. Insgesamt vier Straßen überqueren wir auf diese Weise. Einmal, so erzählt uns die freundliche Mitarbeiterin des Erlebnisbahnhofs, habe ein Fahrer seine Schrankenwärteraufgabe wohl nicht ernst genug genommen. Die Stange sei dem schiebenden Zweiten deshalb auf den Kopf gefallen und ein Notarzt musste gerufen werden. Auch das sei ein Grund dafür, dass alkoholische Getränke während und vor der Fahrt verboten sind, erzählt sie.
Nach neun Kilometern erreichen wir den Jugendbahnhof Hollenbek. Die Hälfte der Strecke ist geschafft. Um zurückzukommen, muss die Draisine per Hand umgesetzt werden. Also heben wir das Gerät von den Schienen, drehen es um und setzten es wieder hinauf. Die Führungsräder sitzen. Es kann weiter gehen.
Wir fahren wieder vorbei an Feldern, Wiesen und durch Moore. Nur lässt die Kraft langsam nach, die Beine wollen nicht mehr. Nach etwa einer Stunde kommt das blaue Schienenfahrrad ein letztes Mal zum Stehen. Etwas wehmütig geben wir Warnweste und Fahne ab. Erst jetzt bemerke ich wieder das unangenehme Jucken an meinem rechten Bein. Hätte ich doch bloß die Hosen-Regel beachtet!
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