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SPRACHRÄUME

Wie weit reicht die reine Kraft des Denkens in der Wissenschaft? Oder eröffnet ein Schritt vor die Tür die größeren Erkenntnisse? Christian Nickel nimmt sich dieser Frage in der Adaption des Bestsellerromans „Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann an. Anhand des Mathematikers und Astronoms Carl Friedrich Gauß und als dessen Gegenpart Alexander von Humboldt, der Einfachheit halber als Naturforscher vorgestellt, entspinnt sich die Geschichte über die Weltvermessung. Gauß, gespielt von Stephan Benson, verbarrikadiert sich im Kämmerchen und muffelt über seinen Berechnungen rum. Humboldt indes schreitet, bildlich gesprochen, die Welt ab. Obwohl sie sich zu Lebzeiten nachweislich nur einmal begegneten und der Austausch mehr auf eitle Selbstdarstellung beschränkt blieb, begegnen sie sich hier weitaus häufiger, streiten um die beste Methode der Erkenntnis und diskutieren mögliche Sichten auf die Welt. Sa, 7. 1., 20 Uhr, Altonaer Theater, Museumstraße 17

Für strikt rational denkende Menschen stellt der Körper eine biochemische und stoffliche Maschine dar, wohlweislich sehr fein in seinen Funktionen aufeinander abgestimmt. Bei etwaigen Störungen kann das streikende Körperteil ausgetauscht werden und nach ein wenig Rehabilitation scheint alles wieder beim Alten. Mit einem neu eingebauten Herzen aufzuwachen, bringt allerdings auch die Abgefeimtesten zum Nachdenken. Ivona Šijakovic und Anna Schildt folgen dieser Spur in ihrem Stück „Intruder“ und in Anlehnung an den französischen Philosophen Jean-Luc Nancy den weiterreichenden Fragen nach dem „Ich“, dem Eindringling und dem Antrieb des Herzens. Der Schauspieler Matthieu Svetchine und die Tänzerin Danielle Brown verkörpern diese Suche und nähern sich den kniffligen Herzensangelegenheiten über Leben und Sterben. Mi, 11. 1. bis Sa, 14. 1., jeweils 20 Uhr, Hamburger Sprechwerk, Klaus-Groth-Straße 23

Im Stück „Leben und Erben“ von Oliver Kluck kommt die politische Praxis des Häuserbesetzens in der Hochkultur an. Die Inszenierung von Dominique Schnizer setzt im letzten Kapitel ein. Der Hauseigentümer will gewinnbringend verkaufen, das Räumkommando der Polizei steht vor der Tür und die Bewohnerinnen und Bewohner überlegen fieberhaft, wie sie das Haus halten können. Nicht nur aus rein egoistischen Interessen, nein, auch der nahenden Aufwertung des Stadtteils soll im gleichen Zuge etwas entgegengestellt werden. Abwertung heißt das Gebot der Stunde. Großflächige Streetart, die Aussetzung von geschützten Tierarten wie dem Juchtenkäfer oder die massenhafte Verbarrikadierung hinter Satellitenschüsseln sollen Abhilfe schaffen. Jenseits typisierter Darstellungen und Sprachfloskeln untersucht Kluck, wie weit es mit der allseits eingeforderten Aufrichtigkeit der Menschen bestellt ist. Dieses aktuelle „Recht auf Stadt“-Drama feiert heute Premiere. Sa, 7. 1., Di, 10. 1., So, 15. 1., je 20 Uhr, Schauspielhaus, Kirchallee 39 KENDRA ECKHORST

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