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LESERINNENBRIEFE

Wullf menschelt so schön

■ betr.: „Diekmanns Anmaßung“, taz vom 7. 1. 12

Dass die Bild im fall wulff die bürger marginalisiert, ist ein gutes stichwort. doch auch der autor marginalisiert den bürger in beliebter linker manier, weil er über die meta-ebene journalist versus politiker schreibt und das liebste spiel der taz betreibt, auf die Bild einzuhauen. der bürger wird hier aber in ganz anderer weise marginalisiert, und zwar weil wulff so schön menschelt: „er möchte nicht in einer republik präsident sein, in der man sich von freunden kein geld mehr leihen kann.“ recht hat er, das wäre blöd.

das problem ist bloß, dass wulff der präsident aller deutschen ist, also auch derer, die sich bei ihren freunden vielleicht höchstens 1,50 für ne belegte brezeL leihen können und noch nicht mal 2,30 euro für ein ticket des nahverkehrs. dass wullf also dadurch, dass er rund 150.000 euro zinsen spart, so viel geld hat, dass er wieder mit seinen freunden dick essen gehen kann. ein hartz-IV-empfänger musste vor gericht erstreiten, dass das weihnachtsgeschenk der großeltern an die kinder nicht auf hartz IV angerechnet wird. warum muss sich wullf die Zinsersparnis nicht juristisch erstreiten, er kriegt diesen Zinssatz ja nur, weil er als ministerpräsident in den oberen kreisen verkehren kann. da wird der bürger marginalisiert, weil die sorgen und nöte, mit denen sich über ein drittel der bevölkerung herumschlagen muss – motto: wie bezahle ich den ersatzfahrradschlauch, wenn ich heute schon ein busticket gekauft habe –, weder die autoren der taz noch der Bild kennen und schon gleich gar nicht mehr der herr bundespräsident. und weil das so ist, deswegen hat Bild die macht, die der autor ihr zuschreibt. KARSTEN NEUMANN, Bethang

FDP rudert in die Vergangenheit

■ betr.: „Den Liberalen gehen die Freunde aus“ u. a., taz vom 7. 1. 12

Wie tot die FDP sein muss, mag man an der Rede von Rösler ablesen, die als Aufbruch gewertet werden wollte: Mit absolut rückständigen Kernaussagen rudert die FDP in die Vergangenheit.

Mit Kohlekraftwerken wird die Energiewende nicht zu schaffen sein. Im Gegenteil: Neue Kohlekraftwerke blockieren den Ausbau von erneuerbaren Energien und sorgen für einen noch schnelleren Klimawandel. Und auch die Parole vom Wachstum muss als überholt angesehen werden. Schon jetzt verbrauchen wir viel mehr Ressourcen, als die Erde nachbilden kann.

Die Bevölkerung ist keineswegs „glücklich“. Weiteres Wachstum bringt zwar wenigen noch mehr Geld aufs Konto, aber damit keinen Zuwachs an Wohlstand und Zufriedenheit ins Land. Aber: Durch den Verbrauch von Ressourcen zerstören wir nachfolgenden Generationen die Zukunft und sorgen schon jetzt für Hunger in anderen Teilen der Welt. Von einer Partei, die sich als wichtig im System betrachtet, muss man mehr erwarten als stumpfe Parolen, mit denen eine kleine Klientel angesprochen wird, aber keineswegs auch nur ein Problem des Landes und schon gar nicht der Welt gelöst wird.

Es wäre für Deutschland nicht schlecht, wenn die FDP bei den nächsten Wahlen nur noch unter den „Sonstigen“ aufgelistet wird.

STEFAN BLUEMER, Mülheim an der Ruhr

Blindheit auf dem rechten Auge

■ betr.: „Law and Order ist links“, taz vom 4. 1. 12

Jan Feddersens Hoffnung, ausgerechnet Polizei und Geheimdienste sollten nach 20 Jahren des Zusehens, Verharmlosens und Förderns nun rechte Gewalt bekämpfen, „Law and Order“ sei gar links, verrät fast atemberaubende Naivität. Zunächst ist der Begriff Law and Order belegt: Es ist die Haltung, dem Staat Grundrechte abzutreten im Tausch gegen irgendeine Form von „Sicherheit“. „Links“ ist spätestens seit 1789 aber, Grundrechte gegen den Staat zu erkämpfen.

Wir reden hier zudem von einem Staat, dessen Vertreter Gemetzel an den Außengrenzen ebenso akzeptabel finden wie Schwadronieren von „Ausländern, die uns ausnutzen“, der ein kafkaeskes System zur Kontrolle und Abschreckung von AusländerInnen errichtet hat und dieses seinerseits mit reichlich Gewalt durchsetzt. Könnten wir Ausgrenzung und Hass als legitime Mittel des demokratischen Diskurses bannen, wäre gewiss mehr für die Bekämpfung des braunen Spuks getan als mit noch so viel Verhaftungen.

Schließlich ist schon fast rührend, wie Feddersen seine Hoffnung ausgerechnet auf die Behörden setzt, deren Blindheit auf dem rechten Auge spätestens seit Dresden und Jena wirklich nicht mehr zu bestreiten ist. Nein, zur Bekämpfung rechter Gesinnung können nur Aufklärung und Liberalisierung helfen, und zwar bis weit, weit in die „Mitte“ hinein. Dazu gehört natürlich der Abbau polizeilicher und doppelt geheimdienstlicher Privilegien. Deren Aufbau zu fordern, ist mehr als fahrlässig, gerade den künftigen Opfern gegenüber.

MARC DAHN, Heidelberg

„Extremismusklausel“ für VS

■ betr.: „Die V-Mann-Falle“, taz vom 5. 1. 12

Während engagierte Bürgerinitiativen und Vereine gegen rechts eine „Extremismusklausel“ unterschreiben sollen, um für ihre Kooperationspartner zu bürgen, dass diese verfassungstreu agieren, können die Verfassungsschutzämter Leute anheuern, die alles andere als verfassungstreu handeln. Vielleicht sollte die Familienministerin eher die Verfassungsschützer zu solchen Erklärungen gegenüber ihren Leuten nötigen, damit „keinesfalls der Anschein erweckt wird, dass eine Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller und immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird“, wie es in der ministeriellen Verlautbarung heißt.

HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

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