HAMBURGER SZENE VON PETRA SCHELLEN: Scheibenwischer sind blöd
Manchmal wundere ich mich über mich selbst. Denn an sich bin ich nicht auf Krawall gebürstet. Schon gar nicht, wenn ich im Bus im Warmen sitze – ganz vorn, wo man so schön rausgucken kann. Noch wohler wird mir im abendlichen Bus bei Regen. Das erinnert mich nämlich daran, dass ich jetzt nicht alle sieben Meter vom Rad steigen und meine Brille trocken wischen muss.
Nein, hier im Bus ist alles sauber und kuschelig. Die Fahrgäste sitzen still auf ihren Plätzen, der Fahrer hält das Steuer, und damit scheint er völlig ausgelastet. Allerdings regnet es in Strömen, und die Scheibenwischer laufen nicht, sodass ich mich frage, wohin lenkt der eigentlich, wenn der doch gar nichts sieht.
Aber ich will keinen Streit, also gucke ich nur besorgt gegen die voll getropfte Windschutzscheibe, die den Fahrer nicht die Bohne interessiert. Im Gegenteil: Er wirkt, als ob er einzig fürs Lenken bezahlt würde und nicht fürs Scheibenwischer-Einschalten, vielleicht steht das nicht in seinem Arbeitsvertrag.
Irgendwann bekomme ich Angst. „Sind die Scheibenwischer kaputt?“, versuche ich es zartfühlend? – „Nein, warum?“, sagt er. „Man sieht ja gar nichts“, erkläre ich. „Sie vielleicht nicht – ich schon!“, sagt er statt einer Entschuldigung. Dann tritt er kräftig aufs Gaspedal. Wahrscheinlich haben die Fahrer Weisung, das Passagieraufkommen zu minimieren.
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