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So unbeliebt wie die GEZ

MUSIKRECHTE Veranstalter und Politiker diskutieren mit der Gema über die Gebührenerhöhung, doch ihre Kritik bleibt erstaunlich zahm

Ludwig Eben hat die Dokumente dabei, die seinen bizarren Rechtsstreit mit der Gema bezeugen – jener Verwertungsgesellschaft, die sich nach eigenem Bekunden um Künstlerrechte kümmert, die von Kulturschaffenden aber zunehmend als „sinnlose Abzocker“ empfunden wird.

Eben betreibt das Café Zapata im Tacheles, in dem eher Nachwuchsbands auftreten; für alles andere wäre der Laden auch zu klein. Die meisten dieser Bands, so Eben, seien nicht Gema-pflichtig, weil sie eben nicht in der Größenordnung spielten, in der es sich lohnen würde, Teil des komplizierten Rechteverwertungssystems der Gema zu werden.

Trotzdem fordert die Gema 100.000 Euro von Eben – auf seinen Rechnungen aus den letzten Jahren steht es schwarz auf weiß. Man merkt Eben an, dass er diese Forderung für grotesk und lächerlich hält, aber auch, dass sie ihm Angst macht.

Deswegen ist der Zapata-Betreiber am Donnerstag zu einer Diskussionsrunde im Café Edelweiß im Görlitzer Park gekommen. Dort sollte es um die Frage gehen, ob die Gema die Berliner Musikkultur kaputt macht – eine Frage, die Eben für sich längst mit Ja beantwortet hat.

Künstlerförderung oder sinnlose Abzocke?

Geladen hatte Björn Böhning, der im September für die SPD in den Bundestag einziehen möchte. In seinem Internetprofil gibt sich der Politiker jugendnah: „In meiner Freizeit trifft man mich auf Konzerten.“ Im Edelweiß macht Böhning den Moderator: Gema-kritisch, aber nicht zu sehr.

Auch DJ Spencer vom Veranstalterteam Karrera Klub verzichtet während der Diskussion darauf, dem Gema-Vertreter Martin Schweda knallhart Kontra zu geben; prinzipiell halte er die Gema für eine gute Sache. Eine Stimme, die die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte für unzeitgemäß hält, gar ein Vertreter der Piratenpartei, fehlte auf dem Podium völlig.

Das wäre Böhning parteitaktisch wohl zu heikel geworden und Schweda erst recht. Beim Bier nach der Veranstaltung erzählte Böhning, es sei auch so schon schwer genug gewesen, überhaupt jemanden von der Gema für so eine Diskussionsrunde zu bekommen.

Denn die von der Gema wissen schließlich, dass sie auf jeder Unbeliebtheitsskala einen Spitzenplatz einnehmen, gleich neben der Gebühreneinzugszentrale (GEZ), der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) und der Schweinegrippe. Und derzeit weht ihr ein so rauer Wind entgegen wie selten zuvor. Der in den letzten Jahren bloß als lästig empfundene Verein wird offen gehasst, seit er angekündigt hat, die Gebühren bei Liveveranstaltungen zu erhöhen.

90.000 Unterschriften

Dem Bundestag liegt eine Petition vor, in der es unter anderem heißt: „Die Gema wird zunehmend vom ‚Kultur-Schützer‘ zum ‚Kultur-Vernichter‘.“ Darunter 90.000 Unterschriften. Schwedas Aufgabe ist es, die Gebührenerhöhungen zu begründen.

Er gibt offen zu, man habe erst jetzt erkannt, wie profitabel das Geschäft mit Livemusik geworden ist im Gegensatz zu einem sich auflösenden CD-Markt. Deswegen werden bis 2014 die Abgaben auf dem Veranstaltungssektor staffelweise erhöht. Großveranstalter wie die O2 World sollen sogar bis zu sechsmal mehr zahlen als bisher. Macht die Gema also die Berliner Musikkultur kaputt?

Das will niemand so richtig sehen, weder auf dem Podium noch im Publikum. Außer eben das Café-Zapata-Team, das die Gema mit der Mafia vergleicht, von erpressten „Schutzgeldern“ und „irren Forderungen“ spricht. Denn eines ist klar: Gewinnt die Gema den Rechtsstreit mit dem Café Zapata, dann ist der Laden dicht. ANDREAS HARTMANN

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