piwik no script img

„Ich mache Solar-Grillen mit dem Umweltminister“

SOMMERKÜCHE Der SPD-Politiker Karl Lauterbach über seine Wandlung zum Dauergriller, die Irrtümer von Spaßbremsen und gesunden Sex

Spaßbremse und Kompromiss-Marinade

Der Ärger: Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte im sonntaz-Interview am 9./10. Mai vor den Gefahren des Grillens. Die taz-LeserInnen reagierten umgehend – und teils zornig „Lauterbach ist die inkarnierte Spaßbremse!“, schrieb ein Leser. „Die größte Gefahr, Krebs, Herzinfarkt oder Schlaganfall zu bekommen, ist notorische Miesepetrigkeit“, fand ein anderer. Bild machte ihn zum Verlierer des Tages und die Kölnische Rundschau höhnte: „Allgegenwärtiger SPD-Medizinmann“.

Die Marinade: Lauterbach hat die Kritik aufgenommen und eine Marinade entwickelt, die die Risiken des Grillens eindämmen soll. 400 ml kaltgepresstes Olivenöl, ein Bund frischer Thymian, ein Bund frischer Rosmarin, der Saft einer halben Zitrone, ein Schuss Balsamico, drei bis vier Zehen Knoblauch. Zutaten vermischen, Fleisch vor dem Grillen damit marinieren. Das Öl soll gegen Rußpartikel schützen. Einziges Problem aus Sicht Lauterbachs: Das Öl kann teurer als das Fleisch sein.

INTERVIEW ULRIKE HERRMANN UND GEORG LÖWISCH

taz: Herr Lauterbach, haben Sie Spaß?

Karl Lauterbach: Ich habe die meiste Zeit Spaß. Spaß gehört zur Gesundheitspflege.

Was macht Ihnen denn Spaß?

Es ist für mich fast leichter zu sagen, was keinen Spaß macht. Wenn zum Beispiel die Umfragewerte für die SPD nicht anziehen. Oder wenn ich mich über Polemiken gegen meine Grill-Interviews ärgern muss.

Genau deshalb fragen wir: In einem sonntaz-Interview im Mai haben Sie gesagt, Sie wollten keine Spaßbremse sein …

… will ich auch auf keinen Fall sein!

Aber von vielen taz-Lesern und auch Kommentatoren anderer Medien wurden Sie als Spaßbremse kritisiert, weil Sie vor den Risiken des Grillens gewarnt haben. Bereuen Sie das?

Im Gegenteil. Das Interview war hilfreicher, als manche dieser Spaßbremsen vermuten würde. Ich werde mittlerweile zu jedem Grillfest in meinem Wahlkreis Köln-Mülheim/Leverkusen eingeladen. Meine Vorträge zur Gesundheitspolitik füllen meist die Säle, aber in der Sommerpause kommt kein Mensch. Da wollen die Leute was Praktisches. Wie Grillen. Tut mir direkt leid für die Kollegen von der Linkspartei, dass sich momentan niemand für die theoretische Ableitung der Kapitalismuskritik interessiert.

Nach der Entrüstung haben Sie versucht, im Spiegel nachzusteuern, und empfohlen, das Fleisch vor dem Grillen in die Mikrowelle zu legen.

Die Mikrowelle hat sich inzwischen leider als wenig handhabbar erwiesen. Das Fleisch schmeckt dann wohl anders. Die Marinade ist da viel besser.

Marinade?

Die salzlose Marinade à la Lauterbach. Das Olivenöl bildet eine Schutzhülle gegen den krebserregenden Ruß. Thymian und Rosmarin wiederum enthalten wie auch das Olivenöl viele Polyphenole, die Gefäßkrankheiten verhindern und die krebserregenden Substanzen im Grillgut neutralisieren.

Wissenschaftler raten doch davon ab, Grillfleisch mit Öl zu marinieren. Wenn das Fett in die Glut tropfe, bildeten sich krebserregende Dämpfe.

Stimmt. Aber diese Gefahr entsteht nicht so sehr bei Olivenöl, das vor allem einfach ungesättigte Fettsäuren enthält. Am schlimmsten ist mariniertes Billigfleisch von der Tanke, wo schlechte Fette schlechtes Fleisch kaschieren sollen.

„Grillen“, hatten Sie gesagt, „ist eine besonders ungesunde Art, ungesundes Fleisch zuzubereiten.“ Nach der Logik gibt es kein gesundes Grillen – auch nicht mit Marinade.

Es hängt sehr stark von der Qualität des Fleisches ab – da gibt es riesige Unterschiede. Zudem schmeckt gegrilltes Gemüse ganz ausgezeichnet.

Woher wollen Sie eigentlich wissen, dass Ihre Marinade gut ist, wenn Sie kein Fleisch essen?

Ich grille für mein Leben gern Thunfisch, obwohl der leider vom Aussterben bedroht ist.

Gibt es überhaupt Abnehmer für Ihr Marinaderezept?

Wir haben schon mehr als 100.000 Postkarten mit dem Rezept losbekommen. Die Karte muss schon nachgedruckt werden und wurde gerade ins Türkische übersetzt.

Wenn man Ihre Postkarte betrachtet, fällt auf: Selbst beim Grillen legen Sie Wert darauf, den Titel Professor zu tragen.

Medizinische Autorität ist bei Grill-Ratschlägen natürlich bedeutsam.

„Am schlimmsten ist Billigfleisch von der Tanke, wo schlechte Fette schlechtes Fleisch kaschieren sollen“

Warum machen häufig ausgerechnet Dinge Spaß, die der Gesundheit schaden?

Das stimmt gar nicht. Nehmen Sie den Sex: Der macht Spaß und ist umso gesünder, je mehr man davon hat. Genauso ist es beim Sport, wenn wir vom Boxen absehen.

Zeigt die Empörung über Ihre Ratschläge nicht, dass es keine gute Idee ist, als Politiker den Menschen zu sagen, dass sie ihr Leben ändern müssen?

Ich schreibe niemandem etwas vor. Schon gar nicht, dass man nicht grillen darf. Ich gebe nur Hinweise, wie man es gesund anstellt. Ich empfehle jetzt immer häufiger den Kugelgrill.

Kugelgrill?

Eine Erfindung aus dem Jahre 1953. Er ist kugelförmig und hat in der Mitte eine Öffnung. Die Kohle liegt drum herum, so dass das Fett nicht darauf tropft. Den gibt es ab 29 Euro.

Wie geht Ihre Offensive weiter?

Die Kampagne für nachhaltiges Grillen wird ausgeweitet. Nach dem gesunden Grillen muss jetzt das umweltfreundliche Grillen kommen. Demnächst mache ich Solar-Grillen mit dem Umweltminister. Sigmar Gabriel hat das politische Potenzial des Grillens klar erkannt. Wir haben für unsere Kampagne auch einen Grünen-Spitzenpolitiker gewonnen, den Namen verraten wir später. Gesundes Solar-Kampfgrillen unter rot-grüner Anleitung – dem dürfte der politische Gegner nichts entgegenzusetzen haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen