: Vom Sinn plötzlicher Eingebungen
Das Ideenmanagement entwickelt Methoden, um Mitarbeiter aktiv in die Fortentwicklung und Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen einzubinden. Das funktioniert aber nur in einer angenehmen und arbeitsförderlichen Atmosphäre
VON TILMAN VON ROHDEN
„Nicht mit Erfindungen, sondern mit Verbesserungen macht man ein Vermögen“, wusste schon Henry Ford. Auch wenn sich im Laufe der Zeit vieles verändert hat – dieses Bonmot hat auch im modernen Ideenmanagement seine Berechtigung. Denn erfolgreiche Unternehmen leben längst nicht nur von den bahnbrechenden Innovationen, die in jahrelanger Grundlagenforschung und aufopferungsvoller Entwicklungsarbeit bis hin zur Produktreife geführt werden. Das ist Fiktion. Der Großteil des technischen Fortschritts gleicht dem Gang einer Schnecke und vollzieht sich im Kleinen. Tigersprünge nicht ausgeschlossen.
Nach einer Untersuchung der Buchautoren Isaac Getz und Alan G. Robinson, im bürgerlichen Beruf sind sie Professoren für Management, ergeben sich in den 50 europäischen Top-Unternehmen 80 Prozent der Verbesserungsideen spontan: Die Verbesserungen würden demnach nicht von der Unternehmensführung planmäßig herbeigeführt, sondern kämen überwiegend von unten. Von kreativen Mitarbeitern, die mit einer mehr oder weniger plötzlichen Eingebung zu ihrem Vorgesetzten gehen. Nach Getz und Robinson, die ihre Ergebnisse in dem Buch „Innovations Power“ veröffentlicht haben, entstehen lediglich 20 Prozent durch von oben geplantes Vorgehen. Diese Angaben relativiert allerdings Hermann Roemer, Leiter des Ideenmanagements bei Siemens. Er meint, dass „die wesentlichen und zahlenmäßig meisten Ideen in der Abteilung Forschung und Entwicklung entstehen“.
Sicher ist, dass ein Unternehmen, das keinen Gebrauch von den vorhandenen Ideen macht, nicht effektiv arbeitet. „Wenn der Unternehmenschef die Ideen seiner Mitarbeiter nicht schätzt, wenn er nicht dafür sorgt, dass sie wirklich umgesetzt werden, dann vergeudet er ganz einfach einen Haufen Geld“, sagt Arno Wiedenroth, Direktor des Rüsselsheimer Opel-Werks, in dem genannten Buch. Hier setzt das Ideenmanagement. Es entwickelt Methoden, um Mitarbeiter aktiv in die Fortentwicklung und Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen einzubinden. Für die Unternehmen rechnet sich das. Im Jahr 2004 sparten die 365 vom Deutschen Institut für Betriebswirtschaft (DIB) befragten Unternehmen und Öffentliche Körperschaften aus 18 Branchen im ersten Jahr der Verbesserung rund 1,2 Milliarden Euro. Die 2,2 Millionen Mitarbeiter machten 1,2 Millionen Verbesserungsvorschläge.
Laut Wolfgang Werner, Geschäftsführer des DIB, das jährlich eine Analyse zum betrieblichen Ideenmanagement präsentiert, beteiligen sich insgesamt aber nur 17 Prozent aller Mitarbeiter am Ideenmanagement. Und das, obwohl die von den Unternehmen verteilten Prämien für Verbesserungen durchaus ansehnlich sind und im internationalen Maßstab „vergleichsweise hoch“ sind, so Werner. Im Durchschnitt honorierten die Unternehmen jede verwertete Idee mit einer Prämie in Höhe von 205 Euro. 90 Prozent der ausgezahlten Prämien liegen unter 250 Euro. Dabei sind die Prämienunterschiede je nach der Wertigkeit der Idee groß. 2004 betrug die höchste ausbezahlte Prämie 332.000 Euro. Der Beschenkte wird sich dennoch ärgern, denn er muss die Prämie, anders als im Ausland, bis auf 60 Euro voll versteuern. Dies ist einer der Kritikpunkte in der Diskussion um Ideenmanagement.
Die in Euro zu berechnenden Einsparungen spiegeln nur eine Dimension des Ideenmanagement. „Es hilft, Unfälle zu vermeiden und Risiken zu minimieren. Es erhöht die Sicherheit für Personen und verbessert den Umweltschutz. Es spart den Einsatz von Material, Energie und Verwaltungskosten“, sagt Werner.
Darüber hinaus habe das Ideenmanagement eine eminente Funktion für die Unternehmensführung. Denn es dient als Gradmesser, inwieweit es den Vorgesetzten gelingt, ihre Mitarbeiter zu motivieren. „Das funktioniert nur in einer angenehmen und arbeitsförderlichen Atmosphäre“, sagt Werner. Die Hauptaufgabe bestehe darin, an die guten Ideen heranzukommen und sie gezielt zu nutzen. Ebenso wie Arbeitsabläufe möglichst gut organisiert werden müssen, sei es wichtig, Verbesserungen systematisch zu managen.
Im Unterschied zum früheren betrieblichen Vorschlagswesen, das eine zentrale Bewertungskommission kannte, arbeitet das Ideenmanagement dezentral. Nur so kann es als Führungsinstrument für Mitarbeiter und Unternehmensprozesse fungibel gemacht werden. Bei Siemens, dem Unternehmen, das wie in den Vorjahren auch 2004 mit mehr als 210 Millionen Euro Einsparungen am meisten von seinen einfallsreichen Mitarbeitern profitierte, können schnell umsetzbare Vorschläge direkt vom Vorgesetzten genehmigt und prämiert werden. „In idealen Unternehmen sind gute Vorschläge am Ende der Woche umgesetzt“, kommentiert Werner.
Isaac Getz, Alan G. Robinson: „Innovations-Power. Kreative Mitarbeiter fördern – Ideen systematisch generieren.“ Hanser Verlag 2003, 223 S., 24,90 €
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