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Polaroid peppt

Eine Ausstellung in Braunschweig und ein Buch aus dem Taschen-Verlag entdecken das analoge Sofortbild wieder

Das neue Sofortbild ist das digitale Bild. Dennoch scheint die Freude am Polaroidbild so ungetrübt wie je. Nicht das Polaroid, sondern die einfache, voll automatische Sucherkamera, mit der die Urlaubsbilder und die Fotos von den Familienfeiern geschossen wurden, wird durch die digitale Fotografie verdrängt.

Dass „Das Polaroid-Buch“ von Steve Christ gerade jetzt herauskommt, muss daher so wenig als Krisensymptom gewertet werden wie der Umstand, dass am Wochenende im Braunschweiger Museum für Fotografie die Ausstellung „Polaroid als Geste – über die Gebrauchsweisen einer fotografischen Praxis“ eröffnete. Im Gegenteil, erst jetzt, im Vergleich mit dem digitalen Sofortbild, das zunächst ein Leuchtkastenbild ist, können die Vorzüge des alten, analogen Sofortbildes richtig gewürdigt werden.

Das Polaroid, 1947 von Erwin Land entwickelt, hatte freilich schon von Anfang an eine ganz eigene Anmutung. Eine eigene Farbigkeit zum Beispiel, die knapp neben der lag, die die Natur gewöhnlich bietet. Als Unikat, ohne die Möglichkeit der fotografischen Vervielfältigung, forderte es neue Handlungweisen heraus: das Bild gleich zu haben und doch nicht das Gleiche zu haben, wurde zum Motor endlosen Fotografierens, endlosen Spaßes, etwa auf der Party, wo jeder Gast ein Bild haben will. Seine besondere Textur und die Entdeckung, dass man in den zweiminütigen Entwicklungsprozess eingreifen kann, reizten die Künstler, die es auch als sofort verfügbares Protokollmedium wertschätzten, beispielweise bei Performances. Andy Warhols Experimente mit dem Polaroid waren derart zwischen Partyspaß, Performance und Protokoll angesiedelt. Und der deutsche Künstler Herbert Döring-Spengler wurde bekannt, als er Polaroids in den Toaster steckte, um sie zu rösten.

Vor allem mit der Erfindung des SX-70-Verfahrens Anfang der 70er-Jahre erlebte das Sofortbild seinen großen künstlerischen Boom. Wenig verwunderlich datiert die im Polaroid-Buch versammelte Auswahl von rund 2.000 Fotografien (aus einem Archivbestand von 23.000 Bildern) zum größten Teil aus der Zeit nach 1970. Aber es finden sich auch ganz wunderbare Aufnahmen aus den späten 40er-, den 50er- und 60er-Jahren. Neben einem Kompendium über die Möglichkeiten des Polaroids ist der Band auch ein Lexikon der Fotografen. Auch Andreas Müller-Pohle, der den Begriff der Bildauflösung gerne doppeldeutig sieht (unser Bild zeigt „Albufera II“, 1985, aus „Das Polaroid-Buch“) und der in seiner Arbeit stets die Techniken und die Materialität des Fotografischen thematisierte, konnte das Polaroid nicht ignorieren.

BRIGITTE WERNEBURG

„Polaroid als Geste“: bis 24. Juli, Museum für Photographie Braunschweig. Katalog: hrsg. von M. Kröncke, B. Lauterbach und R. F. Nohr, Verlag Hatje Cantz, Ostfildern 2005, 168 Seiten, 24,80 €; „Das Polaroid-Buch. Aus der Polaroid-Sammlung“. Hrsg. v. Steve Christ mit einem Essay von Barbara Hitchcock, Taschen Verlag, Köln 2005, 400 Seiten, 29,99 €

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