: Leise Stagnation
Opernintendantin Simone Young setzt in ihrer ersten Spielzeit auf die Klassische Moderne. Auch zeitgenössische Musik kommt manchmal vor
von Petra Schellen
Lang ist es her, dass Paul Hindemith als mutig galt. Dass man sich die Ohren rieb angesichts der Tatsache, dass Benjamin Britten Klänge neu verflocht. Dass man sich wunderte über Olivier Messiaens Idee, Vogelgesänge in seine Werke zu integrieren. In ganz anderen Dimensionen bewegt sich längst die zeitgenössische Musik – was nicht heißt, dass Hamburg nicht des Rückschritts fähig wäre: „Neue Musik ist für mich selbstverständlich, das brauche ich nicht extra zu betonen“, wehrte Simone Young, ab Herbst Intendantin und Generalmusikdirektorin von Oper und Philharmonischem Orchester, bei der gestrigen Spielzeit-Vorschau ab.
Ein kleiner Hieb war das auf ihren Vorgänger Ingo Metzmacher, der sich explizit der zeitgenössischen Musik verschrieben hatte. Deutlich weniger markant gestaltet sich das Programm der Australierin, die sich bislang im Wesentlichen romantischem Repertoire verpflichtet gefühlt hat. Beethoven, Schumann, Schostakowitsch, Haydn und Mozart werden – neben Hindemith, Britten und Messiaen – in Oper und Laeiszhalle zu hören sein, gewürzt mit Barber und Schönberg. Auch das Silvesterkonzert wird nicht mehr nur dem 20. Jahrhundert gewidmet sein.
„Ich möchte eine stärkere programmatische Verknüpfung von Opern und Philharmonischen Konzerten“, sagt Young außerdem. „Das kann entweder eine Ergänzung oder einen Gegensatz bedeuten.“ Eine Aussage, die ähnlich unpräzise ist wie Youngs Bekenntnis zu „mehreren Schwerpunkten pro Spielzeit“.
Kleines Novum aber dann doch: die monatliche After-Work-Reihe mit Chansons und Kammermusik. Und wem dies nach leichter Kost klingt, der irrt sich bezüglich der Young‘schen Ambitionen nicht sehr: „Willkommen in Hamburg“ soll eine Reihe heißen, die Sänger vorstellt, die sich bereits auf berühmten Bühnen dieser Welt profiliert haben. Da ist also endlich der lang vermisste Glanz, das Sich-Mausern Hamburgs zur ersten Adresse internationaler Künstler, das mit programmatischer Tiefe wenig zu tun hat und schnell im Ehrfurcht heischenden Namedropping erstarrt.
Derweil hat sich Ballettintendant John Neumeier an eine Choreographie zu Gustav Mahlers Siebter Sinfonie gewagt und zudem einen dreiteiligen „völlig handlungslosen“ Balanchine-Abend namens „Jewels“ initiiert. Zwei Termine, die vielleicht wirklich interessant werden könnten.
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