NAHRUNG FÜR DIE NACHT: Der Glücks-Curry
Bei ihm einzukehren ist stets eine Freude, denn er arbeitet mit Leichtigkeit und Eleganz. „Hatten Sie einen guten Tag?“, erkundigt sich der Wirt, lauscht der Antwort und empfiehlt dann ein Currygericht, das, wie sich herausstellen soll, köstlich ist.
Die Kundin, der nun seine Aufmerksamkeit zukommt, sagt nach einer launigen Auskunft über ihren Tag: „Ich träume immer noch von meiner Arbeit, obwohl ich sie seit Jahren nicht mehr habe und seither auch keine andere.“ Vielleicht sei ihre Zeit ja schon vorbei, mit 47. Am Nachbartisch malt sich ein junges Mädchen sorgfältig die Lippen dunkelrot.
Mit großer Selbstverständlichkeit unterbricht nun ein Mann das Gespräch, um dem Wirt einen Guten Abend zu wünschen. Er will Andacht, klopft deshalb Sprüche und entschuldigt sich dann für seinen Auftritt bei der Frau. Sie sagt: „Man ist ja froh über jeden, der überhaupt etwas merkt.“ Sie sagt dem Fremden auch, er solle ihr nicht wie einem alten Kumpel auf die Schultern schlagen, sie sei schließlich eine Frau, das sehe er doch, also sanft zu behandeln, zart, bitte schön. Seine Mutter habe ihm das beigebracht, sie wisse es genau. Worauf der Mann erklärt, ja, ja, er erinnere sich.
Derweil kreist einer mit dem Rad in einem „Just Do It“-Shirt vor dem Restaurant und schaut durch die Scheibe herein, und die Gäste schauen hinaus auf ihn. Bald hört er auf zu kreisen und will von der Tür aus wissen, ob hier Frühstück serviert werde (genau damit wirbt die Reklame), und auf die Zustimmung des Wirts hin kündigt er seinen Besuch am folgenden Morgen mit großem Gefolge an. Aha. Dann kreist er wieder vor dem Geschäft und davon ins Off.
„Nahrung für eine lange Nacht“, hatte der Wirt gesagt, als ich ihn hinwies auf den üppig gefüllten Teller. Wir lachten über den Satz. Und so ist es nun: Gut gerüstet schaue ich, was sie mir zu bieten hat. GUNDA SCHWANTJE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen