: Kinderleicht
Den Zeitungen geht der Lese-Nachwuchs aus. Projekte wie „Meine Zeitung“, das erste bundesweite Blatt nur für Kinder, wollen das ändern
VON SILKE BURMESTER
Dem achtjährigen Testleser ist Boulevard fremd. Tageszeitungen, so weiß er, sind so etwas wie Süddeutsche Zeitung, Berliner Zeitung, taz. „Warum schreiben die vorn darüber, dass eine Prinzessin ein Kind kriegt?“ Seit vier Wochen ist Meine Zeitung auf dem Markt, „Die erste Tageszeitung für Kinder“ und letztens mit „Britney im Baby-Glück – Die Popprizessin erwartet Nachwuchs“ auf dem Titel. Obwohl bislang nur 18 Prozent der Verkaufsstellen durch den Vertrieb abgedeckt werden konnten, ist Herausgeber und Chefredakteur Turgay Yagan mit der Resonanz zufrieden. Mit dem heutigen Samstag übernimmt der Axel Springer Vertrieb, dann werden 95 Prozent der Läden erreicht. Doch auch ohne den erkauften Beistand kann wohl in wenigen Tagen der 1.000. Abonnent beglückwünscht werden. Firmen, die für derlei Aktionen Preise zur Verfügung stellen möchten, klopfen, so Yagan, anhaltend an: „Noch haben wir keine Anzeigenpreisliste“, doch diverse Werbeagenturen „haben sich gemeldet, deren Kunden“ – etwa Ravensburger Spiele – „unbedingt schalten wollen“.
Turgay Yagan ist mit seiner Idee nicht allein. Gönnten viele Tageszeitungen dem Nachwuchs bislang nur am Wochenende eine Seite, gibt es zunehmend Überlegungen, ganze Zeitungen für Kinder zu etablieren. Nicht nur verkündete Springer-Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner kürzlich, dass über ein solches Projekt nachgedacht werde – auch fürs Internet sind verschiedene Projekte in der Entwicklung. Das plötzliche Interesse an der jungen Klientel seitens großer Verlage ist vor allem ein egoistisches: Einerseits gelten die Kids als kaufkräftige Konsumentengruppe, andererseits stirbt den klassischen Tageszeitungen die Leserschaft weg. Jüngere Generationen beziehen ihre Informationen vor allem aus dem Fernsehen und zusehends aus dem Internet. Gleichzeitig werden immer mehr vor allem regionale Blätter zusammengelegt oder eingestellt. Um wenigstens einigen Zeitungen das Überleben langfristig zu sichern, muss die zukünftige Leserschaft frühzeitig abgeholt werden.
Tabloidformate wie das von Springers Welt versuchen dies auf der Ebene der jungen Erwachsenen, Kinderzeitungen sind die Stufe darunter. Die meisten Tageszeitungen bringen nur reine Unterhaltungsseiten. Hier wird darauf verzichtet, Nachrichten zu transportieren. Kleine Geschichten, Bilderrätsel und Comics sollen vor allem unterhalten.
Auch das 40-Cent-Blatt Meine Zeitung streut unterhaltende Elemente quer durchs Blatt, will aber durch News und Erklärungskonzepte wie das „Politische Wörterbuch“ und die klassischen Ressorts „Nachrichten“, „Politik“ und „Sport“ das Geschehen in der Welt der neuen Zielgruppe nahe bringen. Das gelingt bei der Reihe „Technik im Alltag“ mitunter ausgezeichnet, im nachrichtlichen Bereich wurde bereits deutlich nachgebessert. Anfangssätze wie „Welche Leistungen für Familien kann sich der Staat noch leisten, welche sind wirtschaftlich sinnvoll?“ können weder bei Acht- noch Elfjährigen Interesse für das Thema wecken, das die Headline ziert: „Familien sollen anders gefördert werden“. Auch an weiterer Stelle sollten die Düsseldorfer Macher ihr Konzept überarbeiten. Die zehn Menschen-Illustrationen, die etwa in Ausgabe 22 benutzt werden, um den jungen Leser in Rubriken zu führen oder das unmoderne Layout aufzupeppen, zeigen ausnahmslos männliche Figuren.
Wer sich in die Materie Zeitung einarbeitet, weiß: Das Potenzial zukünftiger Tageszeitungsleser ist weiblich. Für qualitäts- und genderbewusste Eltern ist es kein Trost, wenn Herr Yagan darauf verweist, dass doch immerhin das Titelthema die Mädchen im Blick hat: „Zickenzoff – Paris Hilton im Streß“.
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