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Katrin Bettina Müller schaut sich um in den Galerien von Berlin um

Retro in der Musik, retro in der Mode, retro in der Kunst: Die Zeichen der Vergangenheit scheinen unausweichlich. Es kommt aber darauf an, was man aus ihnen macht. Ironisieren und als Pool von Formen und Farben feiern, das ist der Weg, den Isa Genzken einschlägt, von der Nicolaus Schafhausen im Schinkelpavillon neue Skulpturen vorstellt. Monumentalisieren und mit neuer Bedeutung belegen, das ist die Strategie von Luzia Simons, die bei Alexander Ochs in der Besselstrasse ausstellt. Die großen Tulpenstillleben der brasilianischen Künstlerin erinnern an die Malerei des Barock. Der erste Impuls ist, zu staunen über die Pracht der Oberfläche, gezackte und marmorierte Blütenblätter, die vielen Stadien zwischen blühen und welken. Als vor ein paar Jahrhunderten solche Arrangements das erstemal in die Kunst antraten, wusste man um die Kostbarkeit der Tulpe, eine koloniale Beute, von Züchtern verändert, zum Hybriden zwischen Kunst und Natur stilisiert. Tatsächlich hat Simons die Tulpen ortlos arrangiert, nur aus dem Schwarz kommen sie hervor. Die Bilder entstanden auf einem Scanner. Sie gelten ihr als Stellvertreter einer Identität, die durch Wanderung und Manipulation verändert wurde: Metapher nicht mehr für das memento mori sondern die Globalisierung. Das ist vielleicht etwas viel vom Augenschein nicht nachvollziehbare Behauptung. Auch bei Isa Genzken im Schinkelpavillion in der Oberwallstraße gibt es Behauptung, nämlich dass ihre aus Dekorelementen collagierten Skulpturen die Willkür des aktuellen Städtebaus kritisieren. Nachvollziehbar ist auf jeden Fall, wie Tapeten und Folien, Autospiegel oder Sessel aus Acrylglas bei ihr nicht für cooles Sampling stehen, sondern ein skurriles und grimmiges Anhäufeln der Reste jenes Designs aufführen, das einmal für Utopie stehen sollte, und dann doch nur zum Statussymbol verkam.

■ Isa Genzken, „Hallelujah“, Schinkelpavillon, Oberwallstr. 1, 10117 Berlin, Do – So 12 – 18 Uhr, bis 11. März

■ Luzia Simons, „Stockage“, Alexander Ochs Galleries, Besselsst. 14, 10969 Berlin, Di – Sa 11 – 18 Uhr, bis 17. März

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