: Diktatoren-Sohn zum Wahlsieger ernannt
Nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses in Togo stürmen Oppositionsanhänger auf die Straße
COTONOU taz ■ „Die Stadt brennt. Die Menschen haben alles, was brennt, auf die Straßen geworfen – Autoreifen, Baumstämme. Steine fliegen. Es herrscht totale Mobilisierung.“ Philippe Delany, ein Bewohner des Stadtteils Hedzranawoe der togoischen Hauptstadt Lomé, berichtet telefonisch von der Reaktion auf das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen vom Sonntag. „Das Militär fährt mit gepanzerten Wagen durch die Stadt. Vor allem die Jugend stürmt auf die Straßen“, sagt der Augenzeuge weiter.
Gestern Mittag erklärte die Wahlkommission Regierungskandidat Faure Gnassingbé mit gut 60 Prozent der Stimmen zum Sieger. Der Kandidat des Oppositionsbündnisses, Emmanuel Bob Akitani, kommt demnach auf rund 38 Prozent der Stimmen. Die beiden anderen Kandidaten sind abgeschlagen. Dieses Resultat widerspricht gänzlich den am Wahlabend aus vielen Wahllokalen in Lomé bekannt gewordenen Zahlen. In allen vom Berichterstatter besuchten Wahlbüros hatte Oppositionskandidat Akitani einen dramatischen Sieg mit bis zu 98 Prozent der Stimmen. Der höchste Stimmenanteil für Faure Gnassingbé, Sohn des im Februar nach 38 Jahren an der Macht verstorbenen Diktators, lag bei etwas über 6 Prozent. In Lomé sollen ein Viertel bis ein Drittel aller Wahlberechtigten des westafrikanischen Landes leben. Deshalb hielten es Mitglieder der Opposition und Wahlbeobachter gestern für unmöglich, dass sich diese Tendenz noch umkehren könnte.
Noch am Wahlabend trafen sich die politischen Führer des Landes zu Vermittlungsgesprächen in Nigeria. Für das Regime nahm Gnassingbé teil. Das Oppositionsbündnis vertrat Gilchrist Olympio, Chef der größten Oppositionspartei UFC, der wegen Ausschlussklauseln im Wahlgesetz nicht selbst kandidieren konnte. Trotz eines anderen Spitzenkandidaten der Oppositionskoalition wird Olympio als der starke Mann angesehen.
Der erzielte Kompromiss sieht die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit mit entsprechender Machtteilung vor. Damit soll ein Ausweg aus der seit Wochen herrschenden Gewalt in Togo gefunden werden. Das brachte am Montag zunächst einen Hoffnungsschimmer. Einzelheiten wurden bislang nicht bekannt. Es soll aber ein gemeinsames Komitee geben, das die politischen Entscheidungen in einer Übergangsphase begleitet. Zudem soll dieses Gremium die Verfassung überarbeiten. Der Sieger der Präsidentschaftswahl soll die Führung des Staates übernehmen.
Aber Olympio machte deutlich, dass seine Partei nicht als Junior-Partner an einer solchen Regierung teilnehmen werde. Er sprach von massivem Wahlbetrug. Außerdem erklärte er, die Ergebnisse des Treffens müssten noch innerhalb des Oppositionsbündnisses besprochen werden. Die Einigung in Nigeria könnte mit der Ernennung von Gnassingbé zum Sieger in Gefahr geraten. „Wir stellen uns auf das Schlimmste ein“, sagt Philippe Delany aus Lomé. HAKEEM JIMO
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