piwik no script img

Der Weichspüler von der Spree

Kann es Georg Quander richten? Kritische Notizen über Kunstverständnis und Management-qualitäten des designierten Kölner Kulturdezernenten

VON FRIEDER REININGHAUS

Die Situation in Köln ist seit Jahren „verfahren“. Oft und laut wurde beklagt, wie sehr die Lokalpolitiker die Kulturinstitutionen der Stadt im Stich gelassen, teilweise sogar demontiert haben. Das Amt des Kulturdezernenten wurde vorsätzlich beschädigt, zuletzt durch die Komödie um die Hau-Ruck-Berufung und ebenso launige Verabschiedung des in Kassel glücklosen Intendanten Christoph Nix.

Ohnedies ist die leitende Position der städtischen Kulturarbeit im Vergleich zu den entsprechenden Ämtern in den anderen Millionenstädten Berlin, Hamburg und München schlecht ausgestattet und für Bewerber aus der ersten Liga der Kulturfunktionäre uninteressant. So verfügt der Kölner Dezernent nicht über nennenswerten Einfluss auf ein kulturpolitisches „Filetstück“ wie die Kölner Philharmonie, die neben den Museen und Theatern einen Kernbereich der kulturellen Identität und der Außenwirkung definiert.

Dürftiger Ertrag

Auch eine repräsentativ zusammengesetzte Findungskommission konnte vor diesem Hintergrund wohl keine Wunder vollbringen, da ihr nur Kandidaten aus der dritten und vierten Reihe zu Verfügung standen. Auf den ersten Blick nimmt sich da das Votum für einen Mann, der immerhin ein Jahrzehnt lang der Deutschen Staatsoper Berlin vorstand, mehr als respektabel aus: Georg Quander hat tatsächlich in der Phase der Umstrukturierung des Betriebs, der zuvor „Leuchtturm“ des DDR-Musiktheaters war, die fällige „Verschlankung“ (Halbierung des Personalbestands von 1.400 Mitarbeitern) vorgenommen und Standards des bundesdeutschen Stadttheaterbetriebs durchgesetzt.

Dass er 1991 Unter den Linden ein desolates Unternehmen angetroffen habe, ist Legende. Im Gegenteil, das repräsentative Unternehmen verfügte sogar über Spitzenprodukte, die sich in der internationalen Konkurrenz behaupten konnten, etwa die von Michael Gielen und Ruth Berghaus gestaltete Debussy-Oper „Pelléas et Mélisande“. Auch in organisatorischer Hinsicht war die Firma durch einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Stasi-Mitarbeitern straffe Spitze. Und so haben sich denn auch in den 90er Jahren viele von den 700 zur Wegrationalisierung vorgesehenen Mitarbeitern unauffällig von selbst verkrümelt, haben Vorruhestand oder Unterschlupf an Theatern der Provinz gefunden.

Zu Hilfe kam Quander für die behutsame Überführung des Verwaltungs- und Spielbetriebs der Staatsoper der Umstand, dass nach der Vereinigung die Landesmittel rasch verdreifacht wurden: Das relativ kleine Theater, das nicht viel mehr als die Hälfte der Sitzplätze der Deutschen Oper in der Bismarckstraße aufzuweisen hat, erhielt bereits 1993 – bei niedrigerer Lohn- und Gehaltsstruktur im Osten – fast so viel Zuschüsse wie die westliche Konkurrenz (knapp 80 Millionen Mark). Inzwischen hat, vor allem Dank der Hartnäckigkeit des Generalmusikdirektors Daniel Barenboim, die Staatsoper die Deutsche Oper bei den Subventionen überflügelt.

Barenboims musikalisch-künstlerisches Renommee schob auch Quander ein wenig ins Rampenlicht. Doch blieb trotz des vielen Geldes, das zu Verfügung stand, unter dem Gesichtspunkt eines gut gemachten Theaters der Ertrag in den 90er Jahren dürftig. Einsam ragt die Verpflichtung der bewegten Schrift- und Bildkünste von Peter Greenaway für Darius Milhauds kolossale Columbus-Oper aus dem vorherrschenden Mittelmaß. Immerhin sprang Quander als Trittbrettfahrer auf den historischen Zug der „Barockoper“ und fand in Renée Jacobs einen zugkräftigen Spezial-Musikanten. Doch auf dem Hauptfeld des Musiktheaters, den Werken des 19. und 20. Jahrhunderts, blieb Schmalhans Küchenmeister.

„Hilfloser Bühnenkitsch“

Mit der Wiederbelebung von Ferruccio Busonis „Brautwahl“ bewies Quander so wenig Gespür für prickelndes Theater wie mit der Grand opéra seines Vorgängers Meyerbeer: „Die Afrikanerin“ erschien einfach nur rückständig, und „Robert der Teufel“ inszenierte er unter Anspielung auf Woody Allens „Purple Rose of Cairo“ selbst. Allerdings derart mit handwerklichen Mängeln, dass die ihm gewogene Berliner Zeitung feststellte, er habe „zuletzt seiner Kinoidee selbst nicht mehr getraut“. Die FAZ geißelte ungnädig „lachhaft verkleidete Sänger, kleinklein im Background verkrümelt“ sowie „hilflosen Bühnenkitsch“.

Tatsächlich war der 1950 geborene Quander durch politische Protektion in die Leitungsposition an der Staatsoper gelangt, ohne zuvor nennenswerte Erfahrung am Theater gesammelt zu haben. Er arbeitete von 1973 an beim Sender Freies Berlin. Dort betrieb er vornehmlich das Weichspülen der „Klassik zum Frühstück“ und stieg wegen seines properen Populismus‘ rasch auf, 1988 sogar zum Hauptabteilungsleiter für Musik und Unterhaltung beim von den USA kontrollierten Nachbarsender RIAS Berlin.

Während seiner Intendantenzeit erprobte sich dieser Mann, der sich für so vielseitig begabt hält, als Regisseur im Theater: in Saarbrücken, wo seine „Turandot“ wie Stadttheater der 60er Jahre aussah, und in Innsbruck, wo er mit Hasses „Solimano“ geistig zu den 80ern aufschloss. Die von ihm Unter den Linden präsentierte Uraufführung von Harrison Birtwistles „Last Supper“ entpuppte sich dann als religiöser Kitsch der schlimmsten Sorte.

Damit ist die ästhetische Welt, für die der designierte Kölner Kulturdezernent steht, umrissen. Mit neuer Kunst hat Georg Quander nichts am Hut. Musik hat gefälligst als Teppich und Tapete des Alltags zu dienen. Neue Medien – nun ja, aber nur weichgespült. Und Theater soll wohl wieder so bieder werden, wie es schon in Quanders Jugend nicht mehr war. Wahrscheinlich kolportiert die Art der Verwurstung historischer Künste, die der Manager Quander zäh betreibt, ziemlich genau das, was der Lateinlehrer Fritz Schramma heute gerne sehen und hören will.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen