: Gutes von gestern: Helmut Linssen ist zurück
CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers macht seinen früheren Konkurrenten, den langjährigen Oppositionsführer Helmut Linssen, zum Schattenfinanzminister. Doch selbst Parteifreunde müssen zugeben: „Es gibt originellere Namen“
Damit hätte er wohl selbst nicht mehr gerechnet: Helmut Linssen, von 1990 bis 1999 CDU-Fraktionsvorsitzender im Düsseldorfer Parlament und eigentlich schon auf dem Weg in den Polit-Ruhestand, feiert sein Comeback: Der 62-Jährige soll im Falle eines Wahlsiegs am 22. Mai neuer Finanzminister werden.
Dass ausgerechnet Rüttgers den vierfachen Großvater und Hobby-Schafzüchter vom Niederrhein zum Schattenfinanzminister macht, entbehrt nicht gerade einer gewissen Ironie: 1999 hatte er sich mit Linssen und der nun ebenfalls ins „Kompetenzteam“ berufenen Christa Thoben ein Gefecht um den CDU-Landesvorsitz geliefert, aus dem Rüttgers letztlich als Sieger hervorging. Mit seinem Schritt, die beiden nun in das „NRWin Team“ zu berufen, dürfte dem CDU-Chef ein geschickter Schachzug gelungen sein: die beiden ehemaligen Konkurrenten sind eingebunden – und kaltgestellt. Allerdings hatte Rüttgers auch nicht viele Alternativen zu dem Mann, der bei der Landtagswahl 1995 mit seinem „Law and Order“-Wahlkampf gegen Johannes Rau gescheitert war: In Berlin und Düsseldorf registriert man schon seit geraumer Zeit mit Unbehagen, dass keiner der bekannteren Namen aus der CDU-Landesgruppe, von Friedrich Merz über Wolfgang Bosbach oder Hildegard Müller, Interesse an einem Regierungsamt in Düsseldorf zeigt – zu lukrativ scheint die Aussicht auf einen Regierungswechsel im Bund im nächsten Jahr.
SPD und Grünen bot die Nominierung denn auch genug Anlass zum Spott: Die Wahl sei ein „Griff in die Mottenkiste“, Linssen und Thoben seien Politiker, die ihre „politische Zukunft hinter sich“ hätten. Aber auch Parteifreunde wie Norbert Lammert, CDU-Vizepräsident des Bundestags, räumte ein: „Man kann sich originellere Namen vorstellen.“ Und selbst Rüttgers konnte sich kaum zu einem Lob durchringen. Thoben und Linssen seien ein „solides Personalangebot“, so der Parteichef wenig schmeichelhaft. Für die Wahl Linssens spreche, so Rüttgers, dass er mittelständischer Unternehmer sei. Oder, wie Linssen es selbst ausdrückte: „Rüttgers hat sich wohl daran erinnert, dass ich auch rechnen kann.“ Erste arithmetische Herausforderung im Falle des Wahlsiegs: die Verschuldung des Landeshaushalts in Höhe von 110 Milliarden Euro zu tilgen. Der Schattenmann versprach jedenfalls, ein „ordentlicher Kaufmann“ zu sein.
Angesichts der geringen Vorschusslorbeeren, die Linssen für sein neues Amt mitbringt, verwunderte es denn auch nicht, dass ihn bei seinem ersten offiziellen Auftritt als Schattenminister kaum jemand sehen wollte: als der potenzielle Minister am Samstag bei der Vorstellung des CDU-Sofortprogramms die Bühne betrat, hatte sich der Saal schon zur Hälfte geleert. Und auch den Übriggebliebenen bot Linssen nur Hausmannskost. Sein Credo: „Man kann eben nicht mehr ausgeben, als man einnimmt.“ULLA JASPER
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