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„Eine Frau kann alles tun“

MUSIK Als Marin Alsop Chefdirigentin des Baltimore Symphony Orchestra wurde, gab es Proteste. Heute ist sie ein Star. Ein Gespräch über Jeanne d’Arc, Macht und ernste Deutsche

Marin Alsop

■ Die Frau: Marin Alsop, 55, wurde in New York geboren. Sie stammt aus einer Musikerfamilie, ihr Vater war Cellist, ihre Mutter Geigerin. Gemeinsam mit der Hornistin Kristin Jurkscheit hat sie einen Sohn.

■ Die Musikerin: Alsop studierte in Yale, an der New Yorker Juilliard School und dem Tanglewood Music Center, zu ihren Mentoren gehörte Leonard Bernstein. Alsop ist die einzige Frau, die in den USA ein großes Symphonieorchester leitet – seit 2007 ist sie Chefdirigentin des Baltimore Symphony Orchestra, kürzlich wurde sie zusätzlich zur Chefdirigentin des Symphonieorchesters São Paulo ernannt. Sie gastiert weltweit mit den bedeutendsten Orchestern, darunter die New Yorker Philharmoniker, das London Symphony Orchestra, das Bayerische Rundfunksymphonieorchester und das Orchester der Mailänder Scala. Zu ihrem Repertoire gehören neben den Klassikern auch amerikanische KomponistInnen des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. Alsop hat zahlreiche Platten aufgenommen.

■ Die Vermittlerin: Alsop will Musik nicht nur zu Gehör bringen, sondern vermitteln. Ihre Konzerte beginnt sie gern mit einer Werkeinführung, bei der sie prägnante Stellen anspielen lässt. Nach dem Schlussapplaus kehrt sie oft auf die Bühne zurück und diskutiert mit dem Publikum. In der BBC und dem US-Sender NPR spricht sie regelmäßig über Musik.

INTERVIEW DOROTHEA HAHN

Marin Alsop ist Geigerin und Dirigentin – und eine begabte Kommunikatorin. Nach Konzerten kommt sie oft auf die Bühne zurück und diskutiert mit dem Publikum. Manchmal lädt sie dazu andere Musiker oder Philosophen ein. Mit der sonntaz trifft sie sich in ihrem Büro im Souterrain der Meyerhoff Symphony Hall in Baltimore.

sonntaz: Frau Alsop, Sie sind die Frau mit dem Stock. Die erste Frau, die ein großes Orchester in den USA dirigiert. Ändert sich der Ton, wenn eine Frau führt?

Marin Alsop: Wir als Frauen sind einfach nur wir selbst. Wir sehen uns selbst nicht als geschlechtsspezifisch. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, Frauen zu verallgemeinern.

Gibt es gar keine weibliche Sprache in der Musik?

Als ich als Studentin das Studentenorchester in Tanglewood dirigiert habe, saß Leonard Bernstein einmal sehr nachdenklich dabei. Und hat gesagt: Wenn ich meine Augen schließe, könnte ich nicht sagen, dass du eine Frau bist.

Hatte er recht?

Ich glaube, das stimmt. Es geht um die Musik. Und nicht um den Dirigenten. Ob es nun ein Mann ist oder eine Frau, schwarz oder weiß.

Gibt es irgendetwas beim Dirigieren, das eine Frau nicht tun kann?

Absolut nichts.

Können Sie dieselbe Körpersprache benutzen?

Dirigieren ist Körpersprache. Wir kommunizieren mit Gesten. Aber wenn ich, als Frau, gewisse Gesten mache, wird das anders wahrgenommen, als wenn ein Mann genau dieselbe Geste macht.

Ein Beispiel, bitte.

Wenn ein Mann sehr stark und intensiv ist, heißt es: wunderbar, stark, Macho. Wenn eine Frau sehr intensiv ist, gilt das als bedrohlich.

Das ist aber nicht nur beim Dirigieren so.

Musik ist ein Mikrokosmos der größeren Welt. Und das hat auch mit Gestik zu tun. Warum gibt es nur so wenige Frauen, die große Orchester in der Welt dirigieren? Und nur wenige Frauen, die Länder Welt führen? Und nur so wenige Frauen an der Spitze der größten Unternehmen?

Gibt es einen Stil, der Frauen an der Spitze auszeichnet?

Im Allgemeinen sind sie stark. Nehmen Sie Margaret Thatcher oder Angela Merkel. Im Vergleich dazu wirkt Tony Blair geradezu sanft und empfindsam. Frauen müssen sehr, sehr stark sein.

Sind Sie stärker als Ihr Mentor Leonard Bernstein und als Ihr Vorgänger in Baltimore, Juri Temirkanow?

Es ist schwierig für mich, objektiv zu sein. Ich bin sehr belastbar. Und ich habe einen Sinn für Humor, der mir hilft. Aber eine Dirigentin braucht vor allem enormes Beharrungsvermögen. Sie darf nicht aufgeben. Denn die Chancen, erfolgreich zu sein, sind nicht groß. Es gibt nur einen winzigen Prozentsatz von Dirigenten, die es schaffen.

Das gilt sowohl für Männer als auch für Frauen.

Aber für Frauen ist es noch härter. Wir müssen mehr machen als nur unseren Job. Wir müssen immer auch der Gesellschaft helfen, sich an Frauen in unseren Rollen zu gewöhnen.

Ändert sich durch Ihre Arbeit in Baltimore die Situation für andere Frauen mit Taktstock?

Ich hoffe es. Aber mehr kann ich Ihnen erst in zehn Jahren sagen. Dann sehen wir, wer welches Orchester dirigiert. Heute ist es noch zu früh. Manchmal fürchte ich, dass die Leute sagen: Wir haben doch schon eine Frau, die ein großes Orchester dirigiert.

Eine Alibi-Frau.

So etwas wie eine Quote. Aber ich habe vor neun Jahren ein Stipendium für Frauen geschaffen, die Dirigentinnen werden wollen. Wir haben gerade die siebte Stipendiatin ausgewählt. Alle vorausgegangenen sechs haben Jobs gefunden. Drei dirigieren amerikanische Orchester, drei andere sind Kodirektorinnen von Orchestern. Sie machen es klasse.

Was muss eine junge Frau tun, wenn sie Dirigentin werden will?

Extrem engagiert sein. Leidenschaftlich sein. Und die Bereitschaft haben, ein paar Opfer zu bringen. Für eine Frau kommt ein Moment im Leben, in dem sie vielleicht eine Familie gründen will – und die Entscheidungen über Familie und Karriere fallen muss.

Sie selbst haben doch auch Familie und Karriere hingekriegt.

Aber ich bin erst zu einer Familie gekommen, als meine Karriere schon stand. Mein Sohn ist erst acht. Ich bin alt für die Elternschaft.

Wollen Sie sagen, dass eine Frau, die Dirigentin werden will, sich zwischen Karriere und Mutterschaft entscheiden muss?

Um beides zu schaffen, ist es wichtig, ein privates Unterstützungssystem zu haben. Ohne Partner ist es schwierig. Dirigieren bedeutet, viel zu reisen und viel abwesend zu sein.

Sie arbeiten in vielen verschiedenen Ländern. Wie wichtig ist Sprache – sind Wörter – für eine Dirigentin?

Wenn sie wenigstens ein paar Sätze in der Sprache ihrer Musiker lernen und einige Zahlen, dann verbindet das ein wenig mehr. Aber wenn ich in Finnland bin, dann spreche ich kein Finnisch, weil die Leute dort so gut Englisch sprechen.

Können Sie Musiker auch dirigieren, ohne mit ihnen sprechen zu können?

Oft ist es sogar besser, die Sprache nicht zu sprechen. Dann müssen Sie im Gesicht und mit Gesten zeigen, was Sie wollen. Es zwingt, besser zu sein.

Als 2005 Ihre Berufung nach Baltimore bekannt wurde, probte das Orchester einen Aufstand. Die Musiker bezweifelten Ihre Qualifikation und verlangten, dass die Suche nach einem Dirigenten fortgesetzt werde. Die Washington Post schrieb damals, neunzig Prozent der Musiker seien gegen Sie. Was war der Grund?

Es gab nie eine Abstimmung. Es hat nie eine Zählung gegeben. Die Zahl hat einfach irgendwer erfunden.

Aber der Unmut war real.

Dafür gab es eine Kombination verschiedener Gründe. Ich glaube, die Reaktion der Musiker richtete sich nicht gegen mich. Sondern gegen die Institution. Und meine Nominierung war eine Möglichkeit, ihre Unzufriedenheit auszudrücken.

Wollen Sie sagen, es ging nicht darum, dass Sie eine Frau sind?

Ich weiß es nicht.

Hat Ihre Sexualität – Sie haben eine Beziehung mit einer Frau – eine Rolle gespielt?

Ich glaube nicht.

Hätten die Musiker genauso reagiert, wenn ihnen ein Mann vorgesetzt worden wäre?

Ich weiß es nicht.

Wurden diese Dinge je diskutiert?

Nein.

Wie ist es, Leute zu dirigieren, die Sie nicht haben wollten?

Wenn man in einen Job geht, um populär zu sein, ist das der falsche Grund. Ich möchte eher respektiert statt gemocht werden.

Nicht beides?

Natürlich habe ich gern beides. Und ich glaube, dass ich es inzwischen habe. Aber die Art, wie ich in diesen Job gekommen bin, war sehr schwierig. Und zugleich war es befreiend. Denn ich musste bloß für Erfolg sorgen. Für die Musiker.

War das wirklich einfach? In einer Zeit, wo klassische Orchester ums Überleben kämpfen oder geschlossen werden, weil sie nicht genug Geld haben?

Es war nicht einfach. Ich versuche bloß, den Konflikt aus der Perspektive der Musiker heraus zu betrachten. Um zu verstehen, warum sie so aufgebracht und verärgert waren. Es gab eine Menge nicht eingehaltener Versprechen und unehrliche Kommunikation. Ich versuche das zu vermeiden. Ich spreche mit meinen Musikern. Ich sage, wenn es Probleme gibt. Und ich habe eine klare Vision. Aber das Wichtigste ist: Wir haben Erfolge erzielt – mit Aufnahmen, mit Konzerten, Initiativen und bei Kritikern. Darum ging es. Die eine Sache, damit die Leute sich besser fühlen, ist Erfolg. Das wusste ich.

Wie kommt es, dass ausgerechnet das kleine Baltimore als erstes Symphonieorchester in den USA eine Frau als Dirigentin engagiert hat?

Baltimore ist aufgeschlossen und tolerant – auch wenn es bei mir am Anfang kompliziert war. Die Stadt ist avantgardistischer und nervöser als andere Orte.

Aufgeschlossener als New York?

Auf jeden Fall. Baltimore ist bereit, größere Risiken einzugehen. Es schleppt kein großes Museum mit sich herum. New York hatte Gustav Mahler und Leonard Bernstein als Dirigenten, ein riesiges Vermächtnis. Das ist sehr beschwerlich. In Baltimore sind die Beziehungen eins zu eins. Es fühlt sich an wie zu Hause.

Ist das auch wieder eine Parallele zwischen Musik und dem großen Ganzen? Ist es für kleinere Länder – wie Deutschland und Großbritannien – leichter, eine Frau an die Spitze zu setzen, als für große Länder, wie die Vereinigten Staaten, Russland oder China?

Nicht unbedingt. Nehmen Sie Brasilien. Das Land hat eine Frau als Chefin. Und es ist ein großes Land. Aber eines, das bereit ist, ein paar Dinge zu ändern. In den Vereinigten Staaten werden die Menschen auf eine gewisse Art konditioniert. Das macht es schwer, sich wohlzufühlen, wenn man nicht exakt so aussieht wie gewohnt. Die Leute müssen einfach mehr Frauen sehen. Ich glaube, dass Länder wie Deutschland oder Großbritannien oder Brasilien helfen, damit Frauen auch anderswo in Führungsrollen kommen. Auch hier in den USA.

Wie ist das Gefühl für Sie, wenn Sie am Pult stehen und das Konzert beginnt?

Ich bin selber keine Surferin. Aber ich sehe die Surfer, wie sie auf die perfekte Welle warten. Das ist eine Menge Arbeit, aber wenn die Welle kommt, beginnt der wunderbare und leichte Teil. Eine Darbietung ist ein fantastischer Ritt. Jeder ist konzentriert und jeder hat dasselbe Ziel. Meine Rolle als Dirigentin ist es, den Musikern zu helfen, dass jeder so gut sein kann wie möglich. Sein Bestes zu geben und einem größeren Ziel zu dienen. Das macht demütig und ist sehr befriedigend.

Das klingt nach Anpassung und Einfühlung. Hat der Taktstock also nichts mit Macht und Kontrolle zu tun?

Das ist eine Frage des individuellen Stils. Ich führe nicht mit Druck. Ich führe – hoffentlich – durch Inspiration. Sie können mit Kraft führen, aber Sie können es nicht mit Macht tun.

Was ist der Unterschied zwischen Kraft und Macht?

Macht und Respekt lassen sich nicht einfordern. Das sind Dinge, die Sie verdienen. Wenn Leute Ihnen trauen und Sie verstehen. Natürlich ist die Leitung eines Orchesters eine Machtposition. Genau wie die Spitze eines Landes. Aber für mich ist der interessanteste Teil, wie ich diese Macht nutze.

Sie haben erzählt, dass Sie als Jugendliche über Ihrem Bett ein Poster von den Beatles hängen hatten. Heute gibt es bei Ihren Auftritten manchmal eine Atmosphäre wie bei Popkonzerten. Wieso sind Sie nicht in die Popmusik gegangen?

Ich liebe Popmusik. Aber meine Ausbildung war komplett klassisch. Für mich ist klassische Musik unwiderstehlich. Und die intellektuelle und emotionale Tiefe ist unvergleichlich.

In diesem Winter haben Sie das Oratorium „Jeanne d’Arc au bûcher“ von Arthur Honegger aufgeführt. Darin blickt das 19-jährige Bauernmädchen, das in einer Zelle auf die Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen wartet, auf sein kurzes Leben zurück. Was interessiert Sie an der Frau, die vor 600 Jahren in einem französischen Dorf zur Welt kam?

Sie repräsentiert alle möglichen Dinge. Es fasziniert mich, dass jemand so dehnbar sein kann. Eine Frau aus der Geschichte ist Aushängeschild für so viele verschiedene Anliegen. Und wird von extremen Rechten wie auch von der Linken vereinnahmt.

Welche Jeanne d’Arc hat denn Ihre Sympathie? Die Heilige? Die Kriegerin? Die Patriotin? Die Feministin?

Sie widersetzt sich der Kategorisierung. Ich finde es sehr einengend, dass Leute sagen, weil du eine Frau bist, ist dieses oder jenes nicht möglich. Eine Frau kann alles tun. Es ist sehr wichtig, eine Welt zu schaffen, in der Gleichheit das Endergebnis für jeden ist. Deswegen mag ich Jeanne d’Arc. Jedes Mal, wenn jemand versucht, sie in eine kleinen Box zu sperren, springt sie heraus. War sie Analphabetin? Es gibt Forscher, die sagen: Sie war es nicht. War sie militärisch begabt? Vielleicht. Vielleicht hatte sie auch einfach nur Glück.

Sie interessieren sich für Jeanne d’Arc wegen ihrer Widersprüchlichkeit?

Widersprüchlichkeit ist für mich nicht negativ belegt. Es ist positiv, nicht auf ein Etikett beschränkt zu sein. Für viele verschiedene Leute vieles sein zu können.

Ist Honeggers Jeanne d’Arc auch ein Vorbild für Sie?

Sie hatte eine persönliche Integrität und Ziele, von denen sie sich nicht ablenken ließ. Ich hoffe, dass ich dasselbe tue. Für Dinge aufstehen, an die ich glaube. Natürlich sehe ich das Stück als politisches Statement. Paul Claudels Text für das Oratorium ist extrem sarkastisch. Er hat eine Welt von Tieren geschaffen. Wenn die Tiere zu Jeanne d’Arc sprechen, hebt das den Horror auf ein komisches Niveau und macht ihn noch ergreifender.

Ist das Oratorium auch eine musikalische Antwort auf die Widerstände gegen Ihre Berufung nach Baltimore?

Ich war an dem Honegger-Stück schon sehr lange interessiert. Und natürlich mache ich oft Frauenthemen. Dann habe ich erfahren, dass in diesem Januar Jeanne d’Arcs 600. Geburtstag war. Das Timing passte also. Wenn ich das in meinem ersten Jahr in Baltimore gemacht hätte, wäre es sehr kontrovers und störend gewesen. Eben wegen der Art, in der meine Berufung abgelaufen ist. Aber jetzt ist es eine große Gelegenheit.

Außer Jeanne d’Arc haben Sie noch andere revolutionäre Frauen in Ihrem Konzertprogramm.

Wir haben in dieser Saison ein Stück über Harriet Tubman. Sie war als Sklavin in der „Underground Railroad“ aktiv, auf den Fluchtrouten, auf denen Sklaven aus dem Süden in die Freiheit gebracht wurden. Eine sehr mutige Frau. Wir haben ein weiteres Stück über Isobel Gowdi. Es erzählt die Geschichte einer schottischen Frau, die als Hexe zum Tode verurteilt wird. Und Anfang März organisieren wir in Baltimore das Festival WOW, Women of the World. Das geht weit über die Kunst hinaus. Da kommen Frauen aus der Politik, der Wissenschaft, der Kultur zusammen.

Drei Jahre nachdem Sie gegen großen Widerstand nach Baltimore berufen worden sind, ist Ihr Vertrag verlängert worden. Heute zweifelt niemand mehr daran, dass Sie die richtige Person sind. Nicht nur musikalisch, sondern auch finanziell – Sie haben das Orchester aus den roten Zahlen herausgeholt. Wie messen Sie selbst Erfolg?

Es fühlt sich erfolgreich an. Aber es ist auf halbem Weg. Ich bin nicht fertig. Es gibt eine Menge von Dingen, die ich erreichen will. Als Erstes versuche ich nicht zu messen. In Amerika messen wir viel zu viel. In Baltimore gibt es Enthusiasmus im Orchester. Und ein Gefühl von Besitzdenken bei der Bevölkerung. Unser Orchester gehört der Community. Wir haben Kinderprogramme. Und wir haben das Programm „Rusty Musicians“, bei dem 600 Amateurmusiker mitmachen. Das bringt Nähe zwischen Musikern und Community. Das bricht mit der Regel, dass klassische Musik ein Privileg wohlhabender Leute ist. Und das erzeugt ein Gefühl von Relevanz und Begeisterung.

Wenn Sie auf die Bühne kommen, gibt es im Publikum manchmal Begeisterungsschreie.

Ich mag das. Es ist nicht so steif.

Neben dem Orchester im kleinen Baltimore dirigieren Sie neuerdings auch das Symphonieorchester von São Paulo. Haben Sie das so geplant?

Dass ich jetzt das größte Orchester in Südamerika dirigiere, ist eine unerwartete Wende. Ich habe mir nicht einmal in meinen wildesten Träumen ausgemalt, dass ich eines Tages einen Job in Brasilien bekommen würde. Ich hatte gedacht, dass ich als Nächstes nach Europa gehe.

Da waren Sie doch schon.

Nur in England. Ich hatte mir ein anderes Land vorgestellt, Deutschland etwa. Aber die Welt ändert sich. Ein Land wie Brasilien hat jetzt enorme Möglichkeiten. Ich habe in São Paulo ein Orchester mit 150 Vollzeitmusikern, eine wunderbare Konzerthalle und einen unglaublichen Enthusiasmus.

Ist das Interesse an klassischer Musik in Brasilien größer als in den USA?

Jedes Konzert ist ausgebucht. Es ist umwerfend. Ich bin sehr neugierig, was sich da entwickelt und wohin das führt.

Zu Ihrem Markenzeichen gehört es, dass Sie nach Konzerten oft mit dem Publikum diskutieren. Über Musik. Über Philosophie. Und das Leben. Tun Sie das auch in São Paulo?

Manchmal. In Brasilien lieben die Konzertbesucher das. Und wir haben eine Menge Spaß. Ich bin nicht sicher, ob die Leute es auch in Deutschland mögen würden.

Warum nicht?

Ach, in Europa sind die Leute so ernst im Umgang mit klassischer Musik. Vielleicht zu ernst.

 Dorothea Hahn, USA-Korrespondentin der taz, fand Alsops „Joan of Arc at the Stakes“ mit Orchester, drei Chören und einem halben Dutzend SolistInnen ergreifend

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