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OFF-KINOFilme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Eigentlich habe er einen leichten Film über Kinder drehen wollen, doch dann sei ein ziemlich düsterer Film über Erwachsene dabei herausgekommen, hat Yasujiro Ozu einmal über „Ich wurde geboren, aber …“ (1932) gesagt, den wohl bekanntesten seiner Stummfilme. Vom Genre her den Shomin-geki, den Geschichten aus dem Alltag kleinbürgerlicher Familien zugehörig, erzählt der Film die Geschichte der Familie Yoshii, die gerade in einen Vorort Tokios umgezogen ist. Im Mittelpunkt der Story stehen die Spannungen, die sich ergeben, als die beiden Söhne, der zehnjährige Ryoichi und der achtjährige Keiji, die Unterwürfigkeit ihres Vaters gegenüber seinem Chef bemerken. „Ich wurde geboren, aber …“ ist ein bitter-komödiantischer Thesenfilm, in dem Ozu die soziale Ordnung der Erwachsenen jener der Kinder gegenüberstellt. Die Hierarchie der Erwachsenen gründet sich dabei auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schicht und erscheint unumstößlich, die Hierarchie in der kleinen Bande der Kinder hingegen ist dynamisch und lässt sich mit Gewalt oder mit Cleverness verändern. Der Film endet mit der für Ozu typischen resignierten Melancholie: Der Hungerstreik, in den die Jungen getreten sind, nachdem ihnen der Vater erklärt hat, dass sein Job vom Wohlwollen des Chefs abhinge und die Familie ohne Einkommen nichts mehr zu essen hätte, bricht angesichts leckerer Reisbällchen in sich zusammen. Doch indem ihr Hunger über ihren Idealismus siegt, erkennen Ryoichi und Keiji die Realität an, wie sie ist. (17.–18. 8. Arsenal)

Am Anfang geht alles recht schnell: Eben noch steht Daniel Plainview (Daniel Day-Lewis) 1898 mit einer Spitzhacke im Dunkel seiner Mine in New Mexico und schürft. Dann hat er Silber gefunden, wenig später bohrt er bereits nach dem lukrativeren Öl. Plainview ist der komplette Selfmademan, einer, der immer allein bleiben wird. Regisseur Paul Thomas Anderson breitet in „There Will Be Blood“ die epische Studie eines Soziopathen aus, der die Menschen hasst und in ihnen nur das Schlechte sieht. Plainview hat keine Beziehungen zu anderen Leuten, die nicht darauf hinauslaufen würden, jene auszunutzen, und er besitzt weder Laster noch Leidenschaften mit Ausnahme des Geldverdienens – und zwar so viel Geld, „dass ich niemanden mehr sehen muss“. Daniel Day-Lewis, der für seine Rolle den Oscar als bester Hauptdarsteller gewann, geht ganz in dieser Figur auf, wobei es ihm gelingt, diesem zweifellos eher unsympathischen Mann doch so viel unmittelbare Kraft und Wucht zu verleihen, dass man sich der Faszination nicht entziehen kann. (OmU 19. 8. Freiluftkino Hasenheide)

Erst klemmt der Schwanz im Reißverschluss, dann hat Ted (Ben Stiller) einen Angelhaken im Mund, schließlich Sperma am Ohr. Und eine Verhaftung als vermeintlich schwuler Serienkiller steht auch noch aus. Die Peinlichkeiten kommen zustande, weil Ted „Verrückt nach Mary“ ist, einem blonden All-American-Girl, für das die Männer einfach alles tun. Geschmacklos, grotesk-romantisch und sehr menschlich. (19. 8. Freiluftkino Freiheit Fünfzehn) LARS PENNING

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