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Geschenke erpressen

Die Sammlung des Monsieur Pinault: Wie ein Kunstsammler die Franzosen düpiert hat

François Pinault hat eine Tellerwäscherkarriere gemacht. Er verließ die Schule mit 16, begann im Holzgeschäft, machte mit Zuckerspekulationen Millionen, übernahm Großkaufhäuser und leistete sich die rechte Wochenzeitung Le Point, das Kulturkaufhaus „Fnac“, den Luxushersteller „Gucci“ sowie den Baukonzern „Buygues“. Nebenbei sammelt Pinault moderne Kunst. Was dabei in 30 Jahren zusammenkam, reicht von Rothko über Mondrian bis Warhol und Rauschenberg.

Um diese Kunstsammlung geht es. Nachdem Pinault die Konzerngeschäfte an seinen Sohn übergeben hatte, wollte er seinem Land ein Museum „schenken“. So kündigte er es 2000 an. Damals machten die Gesetzgeber das Kunstmäzenatentum gerade steuerlich interessanter. Als symbolträchtigen Standort wählte Pinault die Île Séguin in der Seine, wo bis 1989 Autos gebaut wurden und große Streiks ihren Anfang nahmen. Pinault ließ den japanischen Stararchitekten Tadao Ando ein Museumsgebäude entwerfen und verhandelte mit dem Bürgermeister von Billancourt über eine neue Tram, neue Straßen, eine neue Wohn- und Gewerbebebauung und andere millionenschwere Erschließungskosten für die Vorstadtgemeinde. Die „Stiftung Pinault“ sollte das größte private Museum für moderne Kunst Frankreichs werden.

Jetzt ist das Projekt geplatzt. „Ich ziehe mich zurück“, schrieb der Milliardär vergangene Woche auf Seite eins der Zeitung Le Monde. Begründung: die Langsamkeit und Schwerfälligkeit der Behörden. Pinault, der im Alleingang und binnen Minuten über millionenschwere Investitionen entschied, kann nicht warten. Statt Frankreich will er nun Italien mit seiner Kunstsammlung beglücken. Später eventuell andere Länder. Ende April hat er in Venedig mit Hilfe einer wohlwollenden Gemeindeverwaltung den Renaissance-Palast Grassi gekauft und will dort bald die erste Ausstellung eröffnen.

Auf der Insel Séguin lässt jetzt die Delokalisierung des geplanten Kunst-Museums ein tiefes Loch zurück. Bürgermeister Jean-Pierre Fourcade muss sich rechtfertigen. In den vergangenen Jahren steckte er in der Klemme zwischen Bürgerinitiativen, die mehr Grün, weniger Beton und sozialverträgliche öffentliche Investitionen verlangten, und seinen eigenen Parteifreunden – inklusive dem mit Pinault befreundeten Staatspräsidenten Chirac – die großzügige und unbürokratische Gesten gegenüber dem Privatmuseum forderten. Jetzt – nachdem der Bürgermeister bereits 100 Millionen Euro öffentliche Gelder ausgegeben hat – werfen ihm alle vor, er sei gescheitert. Doch hinter Pinaults unpatriotischem Abgang dürfte mehr stecken als nur ein störrischer Vorstadtbürgermeister: Unter anderem ist der Palazzo Grassi mit einem Kaufpreis von 29 Millionen Euro um ein Vielfaches billiger als der Neubau eines Museums auf der Ile-Seguin, der schon vor einem halben Jahrzehnt mit 150 Millionen Euro veranschlagt wurde. Das ist ein gewichtiges Argument. Zumal dem Konzern Pinault in den USA wegen betrügerischer Versicherungsgeschäfte Schadensersatzforderungen in zweistelliger Millionenhöhe bevorstehen.

DOROTHEA HAHN

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