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Verpassen!Zucht! Ordnung!

„Die harte Schule der 50er“, 19.25 Uhr, ZDF

Die Deutschen sind bequem geworden. Sie können Handys und Mikrowellen bedienen, stehen aber vor unlösbaren Problemen, sobald es ums Kokosnussaufschlagen geht, ums Überleben in der sibirischen Tundra oder darum, störrische Hausschweine zu bändigen. Das weiß man aus dem Fernsehen. Seit die Fernsehfamilie Boro vor zwei Jahren mit einem Grimme-Preis aus dem „Schwarzwaldhaus 1902“ zurückkehrte, bastelt das Erste fleißig am Zeitreisenfernsehen. Nach dem „Gutshaus 1900“ folgt nächste Woche die Schiffspilgerreise „Windstärke 8“. Das ZDF macht schon heute einen entscheidenden Schritt zurück und zeigt, wie 24 Teenager einen Monat in einem Internat nach den Schulregeln der 50er-Jahre leben. Vorneweg: Es ist furchtbar.

Obwohl als „Erlebnisdokumentation“ angekündigt, hat „Die harte Schule“ nichts Dokumentarisches. Der Reihe geht es allein darum zu zeigen, wie die großmäuligen Jugendlichen an den strengen Vorschriften verzweifeln, sich widersetzen und dafür bestraft werden. Die Produktionsfirma Tresor TV („Die Supernanny“) hat ordentlich Stereotype gecastet: eine Dicke, eine Zicke, einen Mädchenschwarm, einen Schlauen, eine Unpünktliche – und so weiter. Wenn die Lehrer schreien, meckern und mosern, wirkt das oft eher peinlich als autoritär. Und aus dem Off erinnert Sprecher Sky DuMont die Zuschauer fortwährend, dass in den 50ern noch Zucht und Ordnung herrschten. Zucht und Ordnung! „Sind die Schüler diesem Druck gewachsen?“, heißt es in der ersten Folge. Dabei sollte man besser fragen: Schämt sich das ZDF nicht, diese Realitysoap, die problemlos nach der Dicke-Kinder-Reihe „Schwer in Ordnung“ auf Vox oder dem RTL-2-„Frauentausch“ laufen könnte, als „Antwort auf das schlechte Abschneiden deutscher Schüler beim Pisa-Test“ zu bezeichnen? Offenbar nicht. Da hilft nur Nachsitzen. Vielleicht auch Rohrstock.  PEER SCHADER

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