ERKLÄRUNG IM WASCHSALON: Lebensplan
Sofort ins Auge sticht die blendend weiße, akkurat gebügelte Kleidung der adretten Frau. Als laufe sie Reklame für ein Vollwaschmittel, so sieht das aus in diesem Kontext. Sie steht in einem Waschsalon und lässt die Kundschaft wissen: Alle 14 Tage sei Waschtag. Eine durchrationalisierte, kompakte Angelegenheit sei das: In den Salon laufen, waschen, trocknen, und abends liege ihre ganze Wäsche wieder frisch gebügelt und duftend im Schrank. Exakt zwei Wochen später wird die Frau dann wieder wegen ihrer Wäsche aktiv, erfahren wir, und den Grund ihres hohen Organisationsgrades nennt sie auch: Zeitmangel.
Denn: Viel zu viele Jahre haben Chefs verfügt, was sie zu tun hatte. Und wenn sie abends wieder in ihrem Privatleben angekommen sei, berichtet sie, saß da bereits ihr Mann und sagte an, wie es nun weitergehen würde. Im Alltag und im Leben. Der Mann sei vor sieben Jahren gestorben, erzählt die Frau und findet das „gut so“.
Inzwischen hat die Redselige eine Frau in ihrem Alter ausgewählt als Adressatin ihres Monologs. Sie setzt sich neben sie auf den freien Stuhl. An der Lautstärke der Ansprache ändert das allerdings rein gar nichts. Endlich alleine leben, hören wir, mit 45 habe sie das nicht gekonnt, allein sein, da habe sie noch viel zu viel Angst davor gehabt. Aber jetzt. „Herrlich!“ Endlich könne sie machen, was sie wolle, sagt sie. „Nach all den Jahren im Büro. Vorbei! Aus! Fertig! Endlich!“
Ihre tiefbraun gebrannte Haut steht in einem frappierenden Kontrast zum Blütenweiß der gut geschnittenen Bluse. Unterwegs und draußen sein, teilt sie uns mit, das sei doch das wahre Leben. Und endlich richtig frei sein, schwärmt sie. Nervös flattern die Sätze und die Vielzahl der „Endlich!“-Nennungen lässt einen frösteln. Stehen nun Tempo machen, hastiges Nachholen auf der Tagesordnung, bis die Zeit sich neigen wird?
GUNDA SCHWANTJE
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