Kinoempfehlungen für Berlin: Erst cool, bald verzweifelt
Die Kinemathek widmet ihrem Gründer Gerhard Lamprecht eine Filmreihe, das Cinema Paris zeigt den großartigen Klassiker „Fahrstuhl zum Schafott“.
E in Unbekannter ist der deutsche Filmregisseur Gerhard Lamprecht mitsamt seiner mehrere Jahrzehnte umspannenden Filmografie ganz sicher nicht. Doch zum ganz großen Klassiker hat es nie ganz gereicht.
Auch seine heute am häufigsten gespielten Filme, die Kästner-Verfilmung „Emil und die Detektive“ (1931) und der Trümmerfilm „Irgendwo in Berlin“ (1946), sind – obwohl signifikante Beispiele seiner realistischen Herangehensweise – weniger im Sinne einer „politique des auteurs“ mit seinem Namen verbunden, sondern gelten eher als wichtige „Berlin-Filme“.
Noch weniger bekannt dürfte den meisten Leuten die Tatsache sein, dass Lamprecht mit seiner privaten Filmsammlung den Grundstock für die Deutsche Kinemathek legte, der er als Begründer und Leiter bis 1966 vorstand. Kein Wunder also, dass sich die Kinemathek immer wieder gern mit wissenschaftlichen Publikationen und Filmreihen an Lamprecht abarbeitet: Die aktuelle Reihe heißt „Losers & Winners“, umfasst fünf Filme und verspricht einen aktuellen Blick auf Themen wie Milieu und Urbanität.
Los geht es am 18.11. mit Lamprechts Verfilmung „von Motiven“ (wie es im Vorspann heißt) aus Thomas Manns großem Familienroman „Buddenbrooks“ (1923), einem Film, der zeitgenössisch durchaus Anklang fand – nur nicht bei Thomas Mann, der bekrittelte, das Ganze sei nur ein „gleichgültiges Kaufmannsdrama“ geworden.
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Lamprecht und seine Autoren hatten die Handlung in die Gegenwart verlegt und stark gestrafft; als Folge präsentiert sich der Film weitaus handlungsorientierter als der Roman. Zugleich gelingt es dem Film, der gleichwohl einen guten Einblick in die hanseatische Kaufmannswelt gibt, aber immer wieder, den Konflikt zwischen den ausschließlich merkantil orientierten und den eher musisch interessierten Mitgliedern der Familie herauszuarbeiten: Die Hochzeit von Thomas Buddenbrook mit der Nachbarstochter Gerda Arnoldsen besteht hier sehr stimmig lediglich aus einer kurzen Sequenz, in der eine Geldkassette mit der Mitgift von einem Tresor in einen anderen transferiert wird.
Die Kinemathek zeigt den Film im Kino Arsenal in einer restaurierten Fassung, die Filmrestauratorin Eszter Takácz und der Filmkomponist Mauro Brosolo halten eine Einführung. Die gesamte Filmreihe wird von den Kuratorinnen Diana Kluge und Natalie Gravenor vorgestellt (18.11., 19 Uhr, Arsenal).
Am 17. November findet der Europäische Kinotag statt, in 42 Ländern und über 700 Kinos feiert man dann die Vielfältigkeit des historischen und aktuellen europäischen Filmschaffens.
Im Cinema Paris geschieht dies stilsicher mit einer Vorführung von Louis Malles erstem Spielfilm „Fahrstuhl zum Schafott“ (1958), in dem die Krimihandlung – ein Mann erschießt den Ehemann seiner Geliebten, bleibt aber nach der Tat im Fahrstuhl stecken – in den Hintergrund rückt, wenn Jeanne Moreau auf der vergeblichen Suche nach dem Geliebten zu den Cool-Jazz-Klängen von Miles Davis die Straßen und Bars des nächtlichen Paris durchwandert und von Hoffnung bis Verzweiflung die verschiedensten Emotionen durchläuft (17.11., 13 Uhr, Cinema Paris).
Immer wieder gern gesehen: die von Charlie Kaufman geschriebene und von Spike Jonze inszenierte exzentrische Komödie „Being John Malkovich“ (1999), in der ein erfolgloser Marionettenspieler hinter einem Aktenschrank einen Zugang zum Kopf des Schauspielers John Malkovich entdeckt und alsbald Eintrittskarten für die seltsamen Reisen durch dessen Bewusstsein verkauft.
Die Trips durch den Kopf des Mimen eröffnen ihrerseits Möglichkeiten zum vergnüglichen Philosophieren über Sein und Bewusstsein, über sexuelle Identitäten und ewiges Leben, über Image und Erfolg (14.11., 18.11.-19.11., 21.30 Uhr, 16.11., 16.50 Uhr, 17.11., 17.30 Uhr, Rollberg Kino).
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