: Nagels neuer Versuch
Morgen will Senator erste Abschiebung von Afghanen durchsetzen. Scharfe Kritik von GAL und Anwalt: Berufung auf Ministerbeschluss „unredlich“
von Eva Weikert
Jetzt steht die Nagelprobe an: Zum vierten Mal seit Ende des Abschiebestopps am 30. April wird die Ausländerbehörde morgen versuchen, Afghanen nach Kabul zurückzuverfrachten. Nach mehrmaligem Scheitern ihres umstrittenen und bundesweit einmaligen Plans wollte die Behörde von Innensenator Udo Nagel (parteilos) gestern keine Details offen legen: „Was morgen passiert“, so Sprecher Norbert Smekal, „geben wir erst am Donnerstag an die Öffentlichkeit“.
Allein gestern mussten der Flüchtlingsberatungsstelle Café Exil zufolge etwa 25 Afghanen zu Anhörungen in der Behörde antreten. Wie Anwalt Thorsten Buschbeck berichtete, seien auch heute Dutzende vorgeladen. „Wer dann festgenommen wird“, warnte er, „der muss dem Richter gar nicht vorgeführt werden und kann am Mittwoch abgeschoben werden“.
Unterdessen wurde Nagel für seine Äußerung angegriffen, die Hamburger Praxis stünde im Einklang mit dem Beschluss der Innenministerkonferenz (IMK). „Das stimmt nicht“, so Anwalt Buschbeck. „Nagels Verweis auf die IMK ist unredlich“, kritisierte auch GALierin Antje Möller.
Nagel hatte vorige Woche im Innenausschuss der Bürgerschaft versichert, Abschiebungen zum jetzigen Zeitpunkt fänden Rückhalt im IMK-Beschluss vom 18./19. November. Zudem würde Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sie unterstützen. Dieser habe den Ländern per Brief mitgeteilt, dass seine Verhandlungen mit der Regierung in Kabul über ein Rückführungsabkommen gescheitert seien, gleichwohl aber mit Abschiebungen begonnen werden könne.
Zwar bekundet die IMK in ihrem geheimen Beschluss, welcher der taz vorliegt, ihr Interesse daran, „dass am 1. Mai 2005 mit der Rückführung einer größeren Anzahl afghanischer Ausreisepflichtiger begonnen werden kann“. Die „Rückführungen“ sollten „auf der Grundlage“ bestimmter „Grundsätze“ erfolgen wie etwa Einzelfallprüfung bei Schülern und vorrangiger Abschiebung von Sozialhilfeempfängern. Zugleich aber hält die IMK fest: „Eine Veröffentlichung der Grundsätze erfolgt erst, wenn die Verhandlungen mit der afghanischen Regierung erfolgreich abgeschlossen sind und feststeht, dass mit Rückführungen ab dem 1. Mai 2005 begonnen werden kann.“
Abschiebungen, folgert Jurist Buschbeck, „dürfen aus IMK-Sicht also erst nach Abschluss eines Rückführungsabkommens zwischen Berlin und Kabul beginnen“. „Ich lese den IMK-Beschluss genau so“, ergänzte die GAL-Abgeordnete Möller. Dass zudem Nagel den Brief Schilys zitiere, als sei er „eine Anweisung an die IMK, ist ein weiterer Beleg für den Hardliner-Kurs Hamburgs“. Im Übrigen sei der Bundespolitiker in der Abschiebefrage machtlos: „Das ist Länderkompetenz“, so die Grüne: „Der Bundesinnenminister kann der IMK gar nichts anweisen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen