Prozess gegen Reichsbürger um Prinz Reuß: AfD-Politikerin versucht sich in Selbstverharmlosung
Im Frankfurter Reichsbürger-Prozess wird die Birgit Malsack-Winkemann befragt. Sie spricht von Aliens, Geheimarmeen – und streitet die Vorwürfe ab.
Das mit der reinen Seele sieht zumindest die Bundesanwaltschaft ganz anders. Sie hat Reuß, Malsack-Winkemann und 24 weitere Männer und Frauen wegen Terrorismus und Hochverrats angeklagt, weil sie einen bewaffneten Umsturz in Deutschland vorbereitet haben sollen. Seit rund einem halben Jahr wird parallel in Frankfurt, München und Stuttgart verhandelt.
Geschlagene sechs Tage lang hat sich die AfD-Politikerin im Sommer zu den Anklagevorwürfen geäußert und alles als „Ammenmärchen“ zurückgewiesen. Jetzt beantwortete sie Nachfragen, noch einmal vier Tage lang. Die Widersprüche wurden dabei nicht weniger.
Malsack-Winkemann beteuert, dass sie und ihre Mitangeklagten niemals selbst Gewalt hätten anwenden wollen. Das sei allein Aufgabe der „Allianz“ gewesen – einer vom antisemitischen QAnon-Verschwörungsglauben herbeifabulierten Geheimarmee unter russischer, amerikanischer oder auch außerirdischer Führung, deren Einmarsch die Angeklagten offenbar ernsthaft erwarteten. Und mit der sie deshalb Kontakt gesucht hätten. Aber ein Putsch? I wo.
Desinformation und Verschwörungsgeraune
Von den bewaffneten „Heimatschutzkompanien“, mit deren Aufbau die Vereinigung laut Anklage bereits begonnen hatte, will Malsack-Winkemann nichts gewusst haben. Für Reuß, sagt sie, habe alles streng „nach Recht und Gesetz“ ablaufen sollen. Senatsvorsitzender Jürgen Bonk will das genauer wissen: Von welchem Recht der Prinz denn ausgegangen sei? „Ich habe das nicht im Einzelnen hinterfragt“, antwortet die promovierte Juristin und wird plötzlich ungewöhnlich schmallippig.
Es ist nicht die einzige Frage, die sie ins Schwimmen bringt. Auf welcher Faktengrundlage, die ihr als Richterin ja betontermaßen wichtig sei, sie denn die Existenz jener „Allianz“ für zumindest nicht ausgeschlossen gehalten habe? Und welche konkreten Hinweise sie dafür habe, dass pädophile Eliten in unterirdischen Tunnelsystemen Kinder misshandeln könnten? Mehr als die unzähligen Telegram-Kanäle, die diese QAnon-Erfindungen verbreiten, kann Malsack-Winkemann da nicht anführen.
„Ich bin es gewohnt aus meinem Berufsstand, beide Seiten zu sehen“, erklärt sie. Soll heißen: Was bei Telegram stand, hielt die Richterin für nicht weniger glaubhaft als das, was sie in seriösen Medien las. Außerdem hätten diese Kanäle zum Teil ja Hunderttausende Follower gehabt. „Das war nicht nur eine Sache von zwei bis zehn esoterischen Spinnern.“
Malsack-Winkemann gehörte dem von Prinz Reuß geführten „Rat“ an und war dort für den Bereich Justiz zuständig, das hat sie eingeräumt. Doch es habe sich dabei keineswegs, wie die Bundesanwaltschaft glaubt, um die designierte Putschregierung gehandelt. In ihrer tagelangen Einlassung hatte die Angeklagte von einem „intellektuellen Kreis“ gesprochen, in dem „Visionen“ für den Neuaufbau Deutschlands nach der Besetzung durch die globale Geheimarmee entwickelt werden sollten.
Was sie nun auf Nachfragen schildert, ist ein Zirkel, der bereit war, alles für bare Münze zu nehmen, was bei Telegram an Desinformation und Verschwörungsgeraune zu lesen ist. Von Reichsbürger-Narrativen über die vermeintlich mangelnde Legitimität der Bundesrepublik bis zur Existenz quasi magischer „Medbetten“, in die man sich nur legen müsse, um selbst von schwersten Leiden sofort zu genesen. „Die Frauen haben sich dabei vor allem für das Schönheitsprogramm interessiert“, sagt Malsack-Winkemann.
Die AfD-Frau ist eine Virtuosin der wortreichen Selbstverharmlosung. Sie spricht lieber über das Essen, das bei den Treffen der mutmaßlichen Verschwörer*innen gereicht wurde, als über die Inhalte. Doch dass sie wie alle Ratsmitglieder eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet hat, bestreitet sie nicht. Das Schriftstück wird während ihrer Befragung auf den Bildschirmen im Frankfurter Gerichtssaal gezeigt. Es liest sich nicht gar so harmlos: „Verstöße werden als Hochverrat angesehen und auf Hochverrat steht die Todesstrafe“.
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