: Eine kulinarische Weltreise
Wer sich an traditionell veganen Länderküchen orientiert, muss nicht auf industriell veganisierte Zutaten zurückgreifen – denn die gab es früher ja noch nicht. Das ist ein guter Grund, zu ganz bestimmten veganen Kochbüchern zu greifen. Ein paar Vorschläge
Von Lisa Shoemaker
Kochbücher sind kuratiert, in diesem Fall eben vegan. Natürlich enthält jedes Kochbuch vegane Rezepte, aber die Auswahl ist meist überschaubar und unter Salat zu finden. Da die Lebensmittelindustrie inzwischen für fast alles Ersatzprodukte kreiert hat, werden viele vegane Rezepte zwar ohne tierische Produkte, dafür aber mit veganisierten Zutaten gekocht. Immerhin hinterlassen deren Bestandteile trotz industrieller Verarbeitung einen geringeren ökologischen Fußabdruck als die tierischen Originale. Diese Art zu kochen ist sicherlich für Veganer:innen spannend, verführt mich Teilzeit-Veganerin aber nur bedingt. Daher schätze ich den Trend zur traditionell veganen Länderküche, deren Rezepte lange erprobt sind und keiner in Plastik verpackten Zutaten bedürfen.
Das erste vegane Kochbuch, das mir wirklich gut gefiel, war 2012 The Lotus and the Artichoke des in Berlin lebenden Amerikaners Justin P. Moore. Hier liefert ein Reisender Rezepte, die er auf seinen Streifzügen durch die Welt kennenlernte. Umspannte sein erstes Buch noch eine Auswahl aus fast allen Kontinenten, widmen sich seine folgenden Bücher einzelnen Länderküchen, etwa Mexiko, Äthiopien und Sri Lanka. Die Rezepte lassen sich unkompliziert nachkochen. Die meisten Zutaten gibt es überall, man braucht jedoch eine gute Gewürzsammlung, die man sich zum Teil in Asia- oder Bio-Läden zusammenkaufen kann.
Die Londonerin Georgina Hayden, die über der Taverne ihrer griechisch-zyprischen Großeltern aufwuchs, kredenzt in ihrem Buch Nistisima jene Gerichte, die nach dem griechisch-orthodoxen Kalender an Fastentagen gegessen werden und die keine tierischen Produkte enthalten dürfen. Bei ihrer Recherche über die Familienrezepte hinaus entdeckte sie, dass auch andere orthodoxe Gemeinden am östlichen Mittelmeer und in Osteuropa denselben Regeln folgen. Herausgekommen ist dabei ein großartiges Buch mit „natürlich“ veganer Küche: Neben klassischen Gerichten wie arabisches Maqluba (gestürztes Reisgericht) oder Fatoush (Brotsalat), Gemüse-Keftedes oder Borschtsch gibt es Ungewöhnliches zu entdecken, etwa einen osteuropäischen Kartoffelsalat mit Kräutern und Sauerkraut, Okra mit Granatapfel oder Hummus-Suppe.
Hayden verwendet in ihren Rezepten keinerlei Ersatzprodukte, und da sie keine Veganerin ist, macht sie bei manchen Desserts eine Ausnahme: sie nimmt Honig, verweist aber auf Sirup als Ersatz.
Nicht ganz so konsequent ist Joanne Lee Molinaro, eine koreanisch-amerikanische Rechtsanwältin und Bloggerin (The Korean Vegan). Bei Bedarf verwendet sie Käsealternativen und Ei-Ersatz. Die Speisekarte in Korea – das vegane Kochbuch reicht von traditionell koreanisch – ihr Bulgogi mit Sojageschnetzeltem in selbstgemachter koreanischer BBQ-Sauce ist hervorragend – bis hin zu fusionierten Gerichten (Bulgogi-Wasabi-Sandwich mit Hummus) und europäisch-amerikanischen Rezepten mit asiatischem Einschlag, vor allem bei den Desserts: so verwendet sie Paht (süße Adzuki-Bohnenpaste) zum Beispiel für Chocolate-Chip-Cookies und Marmorkuchen. Ganz nach dem Motto auf ihrem Blog: „I veganize Korean food. I koreanize everything else.“ Ein Einkaufstrip zum Asia-Laden lässt sich nicht vermeiden.
Jedes Jahr am 1. November findet der Weltvegantag statt. Er wurde 1994 zum 50. Jahrestag der Gründung der Vegan Society in England als World Vegan Day ins Leben gerufen.
Zu diesem Anlass finden in Deutschland viele Informationsveranstaltungen und Aktionen statt, um über eine vegane Lebensweise zu informieren.
Im Vordergrund steht an diesem Tag die Aufklärungsarbeit: Menschen, die bisher noch keinen oder nur wenig Zugang zur veganen Lebensweise haben, sollen zum Nach- und Umdenken gebracht werden.
weltvegantag.org
Konsequent persisch ist Sarvy Petroudi in Persien Vegan. Als sie beschloss, sich rein pflanzlich zu ernähren, veganisierte sie zusammen mit ihrer Mutter persische Gerichte, um die traditionellen Aromen ihrer Kindheit nicht zu verlieren. Man merkt, wie sie verschiedene Varianten probiert hat: Ihr Buch enthält mehrere Rezepte für Khoreshte (Eintopf), mal ohne extra Protein (grüne Bohnen), mal mit Sojagranulat oder auch mit Tofu (süß-saure Pflaumen und Safran). Während sie für das berühmte Fessenjoon (Huhn in Walnusssauce) eine Hackfleischalternative einsetzt, imitiert sie das Ei in Kookoo Kadoon (Zucchinipuffer) geschickt durch eine Mischung aus Tofu, Kokosjoghurt und Kala Namak (schwefeliges Salz) oder lässt es beim Cake Yazdiz einfach weg. Die Konsistenz ist trotzdem gut und es schmeckt – vorausgesetzt man mag Rosenwasser und Kardamom.
Justin P. Moore : The Lotus and the Artichoke. Vegane Rezepte eines Weltreisenden. Ventil. 19,90 €
Justin P. Moore : The Lotus and the Artichoke – Mexico! Eine kulinarische Entdeckungsreise. Ventil. 14,- €
Georgina Hayden: Nistisima: Traditionell, mediterran, vegan. Dorling Kindersley. 29,95 €
Joanne Lee Molinaro: Korea – das vegane Kochbuch. Edition Michael Fischer. 42,- €
Savry Petroudi: Persien vegan – das Kochbuch. Edition Michael Fischer. 34,- €
Anna Rink: Die vegane Alpenküche. ULP. 24,99 €
Serayi: Vegan trifft Orient-Express. Becker Joest Volk. 28,- €
In Mitteleuropa, wo Molkereiprodukte allgegenwärtig sind, wird es schon schwieriger. Dennoch gelingt Anna Rink mit Die vegane Alpenküche der Spagat. Um nicht auf Klassiker wie Pizzoccherie oder Obazda zu verzichten, tauchen veganer Frischkäse, Pizzaschmelz oder veganer Streukäse auf. Fleisch ersetzt sie oft durch Pilze (Gulasch) oder Auberginen (Piccata Milanese). Kaiserschmarrn, Sachertorte und Breznknödel gelingen auch ohne Ei(-Ersatz).
Ganz frisch erschienen ist Vegan trifft Orient-Express von Serayi. Leider hatte ich nicht viel Gelegenheit, daraus zu kochen, aber das Kürbis-Naan und die Linsenbällchen in Kokossauce waren köstlich. Ich hatte mir Sorgen gemacht, ob die Linsenbällchen auseinanderfallen könnten, aber die Autorin buk sie im Ofen und legte sie in die heiße Sauce (ohne sie darin zukochen) und so war die Konsistenz perfekt.
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