: Wegen Antisemitismus: Linke-Vorstandsmitglied schmeißt hin
„Um sich greifender Antisemitismus“ und sicherheitspolitische Altlasten: Ein Partei-Vize der schleswig-holsteinischen Linken legt sein Amt nieder und erhebt deutliche Vorwürfe gegen die Genoss:innen
Von Alexander Diehl
Luca Grimminger ist als Vize-Landeschef der schleswig-holsteinischen Linken zurückgetreten. Eine entsprechende Erklärung hat der Flensburger Anfang Oktober verbreitet. Neben privaten und schon etwas weniger privaten Gründen – Zeit beanspruchende Lohnarbeit sowie seine Funktion in der Ratsversammlung in Flensburg – sprach der 31-Jährige ganz ausdrücklich auch über diesen thematischen Spaltpilz: „Debatten in unserer Partei, in denen antisemitische Terrororganisationen zu Befreiungsarmeen verklärt werden und die einzige Demokratie im Nahen Osten dämonisiert wird.“ Den „um sich greifenden Antisemitismus“ wolle er „nicht hinnehmen und vor allem nicht vertreten müssen“ – denn, so Grimminger, auch Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft: „Auch bei uns im Landesverband haben wir diese Probleme.“
Es ist weiß Gott kein neuer Konflikt: „In unserer Partei gibt es in einigen Landes- und Kreisverbänden polarisierte Diskussionen zum Thema“ hatte im Juni der Bundesvorstand der Partei geschrieben und bekanntgegeben, dass vor diesem Hintergrund die Gründung einer „AG Nahost“ beschlossen worden sei. Es geht um die Frage nach einem sich vom Nahostkonflikt immer wieder nährenden Antisemitismus, der sich links versteht.
„Ein Ende der oft von Extrempositionen bestimmten Kontroversen innerhalb der Partei“ sei „kaum zu erwarten“ hatten die Funktionsträger Klaus Lederer und Mario Keßler schon 2012 geschrieben, in einer Publikation der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Kaum überraschend, dass das Ringen um eine Haltung zu Israel und Gaza, Zionismus und Terror gerade jetzt hochkocht, rund um den ersten Jahrestag des Hamas-Massakers. So stritten am Wochenende erst – und das wirklich nur zum Beispiel – die Genoss:innen vom Berliner Landesverband darüber.
Grimminger zählte seit Oktober 2022 zu den „Landessprecher:innen“ des Landesverbands, er hat sich auch um die Hochschulpolitik gekümmert. In die Partei eingetreten ist er einst wegen der Sozialpolitik, nach Mitgliedschaften in der SPD und, kurz, bei den Grünen. „Dass es diesen Konflikt gibt, war mir bewusst“, sagt er der taz, aber den kenne er auch aus den anderen Parteien. Was sich aber in der Linken geändert habe: „Es ist nicht mehr gesichert, dass eine Mehrheit innerhalb der Partei das zurückweist als den Irrsinn, um den es sich einfach handelt.“
Luca Grimminger über Hamas-Relativierung und die Leugnung von eliminatorischem Antisemitismus
Ist die Nahost-Frage zentral, geht der Dissens aber darüber hinaus: Grimminger beklagt das Fehlen einer zeitgemäßen Linken-Sicherheitspolitik insgesamt: „Wir haben in sicherheitspolitischen Fragen immer noch ein Denken wie zu Zeiten des Kalten Krieges; Positionen, die man am Infostand den Menschen nicht erklären kann – und das sage ich nach drei Wahlkämpfen.“ Beim letzten Landesparteitag aber seien entsprechende Anträge auf weitgehendes Desinteresse gestoßen. „Der Wille, gemeinsam gute und pragmatische Lösungen zu finden, ist für mich in dieser Sache nicht mehr erkennbar“, schreibt er am 3. Oktober.
Am 7. Oktober bekundete der Rest-Landesvorstand „Bedauern“ und kündigte an, man werde die von Grimminger angeführten „innerparteilichen Konflikte zur Außenpolitik“ diskutieren. Zwei Tage später folgte eine „Stellungnahme der Linken Schleswig-Holstein zum 07. Oktober“. Darin erklärt die Parteispitze, man trete „entschieden allen Versuchen entgegen, den 7. Oktober durch Hinweise auf die Besatzung zu relativieren oder gar als ‚unvermeidbar’zu kennzeichnen“. Die Hamas wird als „antisemitische Organisation“ bezeichnet, „die die Vernichtung Israels zum Ziel hat“, und was sie darunter verstehe, habe der 7. Oktober 2023 gezeigt.
Was auch da steht: „Das Leid auf israelischer Seite anzuerkennen, muss heißen, auch das Leid auf palästinensischer Seite anzuerkennen.“ Und dass die Linke „die Diskriminierung der Palästinenser*innen stets verurteilt“ habe – und die „Errichtung eines palästinensischen Staates“ gefordert, „der Israel gleichgestellt ist“.
Grimminger nennt das Statement „inhaltlich substantiell richtig“, auch wenn er „partiell Dinge anders werte“.
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