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Kommunalwahl in Bosnien und HerzegowinaÜberraschungen sind möglich

In Sarajevo und mehrheitlich muslimischen Gebieten könnte es spannend werden. Das Risiko von Wahlbetrug ist dank technischer Neuerungen minimiert.

Bosnien und Herzegovina: Vor der Wahl von sintflutartigen Regenfällen und Überschwemmungen heimgesucht Foto: Armin Durgut/imago

Sarajevo taz | In Bosnien und Herzegowina sind für den kommenden Sonntag Kommunalwahlen angesetzt. Doch derzeit haben die Menschen andere Sorgen. Das Land wird von sintflutartigen Regenfällen und Überschwemmungen heimgesucht. Die Städte Konjic und Jablanica an der Neretva in Südbosnien kämpfen gegen die Wassermassen. Die Bundesstraße M17, die von Sarajevo nach Mostar führt, wurde in der Nacht auf Freitag von einem Erdrutsch weggerissen. 21 Tote sind bereits jetzt zu beklagen, weitere Menschen werden vermisst, die materiellen Schäden ist noch nicht absehbar.

In den von serbischen und kroatischen Autokraten beherrschten Landesteilen wird sich wohl grundsätzlich nichts ändern, es könnte aber immerhin in einzelnen Kommunen zu Überraschungen kommen. Denn die Wahlen werden mit technischen Neuerungen überwacht werden, die den früher üblichen Wahlbetrug eindämmen könnten. Es wird in der serbischen Teilrepublik wohl nicht mehr so leicht möglich sein, Stimmzettel im großen Stil auszutauschen und die Wahlen im Sinne der herrschenden Partei Allianz der Unabhängigen Sozialdemokraten (SNSD) des Nationalisten Milorad Dodik zu manipulieren.

Die serbische Opposition allerdings hat nach den so erzwungenen Niederlagen bei den letzten Wahlen an Kraft verloren. Viele serbische Oppositionelle scheinen überdies auch angesichts der verworrenen weltpolitischen Lage resigniert zu haben.

In den kroatischen Gebieten der Westherzegowina ist es dem herrschenden Autokraten Dragan Covic und seiner Kroatisch Demokratischen Gemeinschaft HDZ mit Hilfe des kroatischen Staates gelungen, ihre Machtpositionen auszubauen.

Vor Veränderungen

Doch vor allem in der Hauptstadt Sarajevo und den noch multikulturell und multireligiös ausgerichteten Gebieten mit muslimischen Bevölkerungsmehrheiten könnte es spannend werden. In der bevölkerungsreichsten Region Tuzla dürften sich die Sozialdemokraten mit ihrer linken Tradition behaupten.

In Bihac, Ostmostar und anderen Gemeinden war es den zivilgesellschaftlichen Gruppen und eher links ausgerichteten Parteien bei den letzten Wahlen zwar gelungen, die Vorherrschaft der mulimischen Nationalpartei SDA zu brechen, doch das Pendel scheint jetzt zurück zu schwingen.

Auch in Sarajevo zeichnen sich Veränderungen ab. Das jetzt regierende nicht nationalistische Parteienbündnis Troika aus Sozialdemokraten, der liberalen Partei Nasa Stranka (Unsere Partei) und der muslimischen Reformpartei Narod i Pravda (Volk und Recht) scheint an Zustimmung zu verlieren.

Als in Sarajevo bei den Wahlen vor vier Jahren die Troika die Macht übernehmen konnte, hofften viele Menschen auf einen grundsätzlichen Wandel. Sie hofften auch auf eine Verfassungsreform, die Bosnien und Herzegowina an die Demokratien in Europa heranführen würde.

Diese Hoffnungen wurden enttäuscht, ja mehr noch: Die Verfassung wurde nach den Wünschen der kroatischen Nationalisten verändert. Die Internationale Gemeinschaft stellte sich hinter die Entscheidung ihres Hohen Repräsentanten Christian Schmidt – dieser schritt nicht ein – und begrub ihrerseits alle Hoffnungen auf eine bürgerliche Verfassung in Bosnien und Herzegowina.

Auch die Troika lieferte nicht. Nach Meinung prominenter Intellektueller und Gewerkschafter habe sie sich nicht gegen diese Entscheidung gewehrt, sondern weiterhin mit den Nationalisten beider Seiten zusammen gearbeitet habe.

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2 Kommentare

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  • Leider gibt's in Bosnien und Herzegowina nur Nationalistischen Parteien.



    Ein Bürgerlich Staat zu erschaffen ohne Bürgerlichen Parteien, ist halt schwer.

    Christian Schmidt wird nie alle zufrieden stellen, es ist auch nicht seine Aufgabe.

  • Diese demokratischen Fehlentwicklung mit Begleitung des hohen Repräsentanten Christian Schmidt ist nicht verwunderlich. Ein Glyphosatverfechter aus der CSU wird sich immer an den Maßgaben der autoritären Führungen orientieren. Diplomatisches Geschick zu erwarten ist eine vollkommene Überschätzung der Person, gerade in den gegebenen Zuständen. Positive demokratische Veränderungen zu bewirken und die demokratischen Strömungen im Lande zu unterstützen war von Anbeginn nicht zu erwarten. Es gab wohl keine andere Aufgabe für diese Person.