Falschparken ist kein Gewohnheitsrecht

Das Bundesverwaltungsgericht gibt Bremer Klä­ge­r*in­nen recht, die gegen illegales Gehwegparken geklagt hatten. Die Verkehrsbehörde kündigt Konkretes an – und tut wenig

Schon lange ein Problem: Für Mensch mit Hund reicht der gute Meter Gehweg hier in der Bremer Neustadt. Für Rollis eher nicht Foto: Alina Götz

Von Alina Götz

Es wird seit Jahren geduldet, nicht nur in Bremen, ist aber eigentlich verboten: das Parken auf dem Gehweg, auch aufgesetztes Parken genannt. Ein Urteil vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig macht nun klar: Die Behörde vor Ort darf dies nicht einfach so hinnehmen, ein Gewohnheitsrecht fürs Falschparken gibt es nicht. Geklagt hatten mehrere Bre­me­r*in­nen, die das Problem direkt vor ihrer Haustür haben.

Das Gericht erkennt an, dass die klagenden An­woh­ne­r*in­nen Anspruch darauf haben, dass die Behörde etwas tut und das Verbot gemäß Straßenverkehrsordnung (StVO) letztlich auch durchsetzt. Weil ihre Ressourcen begrenzt seien, könne die Behörde aber mit einem Konzept für ein stadtweites Vorgehen in den am stärksten betroffenen Quartieren anfangen. Dass die Bremer Klä­ge­r*in­nen dadurch die Beeinträchtigungen vor der eigenen Haustür zunächst weiter dulden müssten, „belastet sie nicht unverhältnismäßig“, so das Leipziger Urteil. Zumindest, solange das Konzept „tatsächlich und nachvollziehbar“ umgesetzt werde.

Der Umstand, dass die Behörde das Gehwegparken seit Jahren duldet, ändere nichts; „ein ‚Gewohnheitsrecht‘ auf Gehwegparken wird dadurch nicht begründet“. Die auf den Gehwegen abgestellten Autos „nehmen einen Verkehrsraum in Anspruch, der Fußgängern zugewiesen ist“. Das Gericht macht deutlich: „Das Interesse der parkenden Verkehrsteilnehmer an einer ungehinderten Fortsetzung ihres rechtswidrigen Verhaltens ist nicht schutzwürdig.“ Die langjährige generelle Duldung des Falschparkens könne allerdings erfordern, geplante Maßnahmen anzukündigen. Die Behörde müsse zudem die Auswirkungen „auf andere Straßen und deren Anwohner berücksichtigen“. Mögliche Maßnahme wäre etwa ein einseitiges Halteverbot, „das faktisch das Parken auf dem Gehweg verhindern würde.“

Eine genaue Angabe, wie viel Gehweg übrig bleiben muss, machte das Gericht nicht. Erforderlich sei stets „eine Gesamtwürdigung der jeweiligen Umstände“ – etwa die Länge und Dauer der Engstelle und die Dichte vom Fußverkehr.

Von 2019 bis Sommer 2024 hatten sich mehrere Bre­me­r*in­nen aus besonders zugeparkten Stadtteilen durch alle gerichtlichen Instanzen geklagt. Ihr Ziel: die Verkehrsbehörde dazu zu bringen, gegen das Gehwegparken vorzugehen.

Die Bür­ge­r*in­nen bekamen, mit gewissen Einschränkungen, Recht. Beide Parteien legten wiederholt Rechtsmittel ein; die damals noch grüne Verkehrssenatorin Maike Schaefer wohl, weil sie das Thema auf die bundespolitische Agenda heben wollte. Die Bürger*innen, weil ihnen der Spielraum missfiel, der der Behörde durch das Urteil eingeräumt worden war. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte ­Anfang Juni, jetzt veröffentlichte es die Urteilsbegründung.

Schon kurz nach der Verkündung im Juni verbuchte die neue Mobilitätssenatorin ­Özlem Ünsal (SPD) das Urteil als Bestätigung für ihr „ganzheitliches, konzeptionelles Vorgehen“. Man habe zunächst die am stärksten belasteten Quartiere ermittelt, Straßen mit besonders geringer Restgehweg- und Fahrbahnbreite priorisiert. Seither gebe es vermehrt Kontrollen; hauptsächlich, um die Rettungssicherheit zu gewährleisten. Man verkündete, dass das Urteil endlich Rechtssicherheit im Umgang mit dem illegalen Gehwegparken schaffe – konkretere Pläne sollten erst nach der Veröffentlichung der Urteilsbegründung feststehen.

Jetzt müssten also konkrete Pläne vorliegen. Man habe die Urteilsbegründung Ende September erhalten, heißt es nun aus dem Mobilitätsressort. Die Senatorin stehe nicht für ein Gespräch zur Verfügung. Man analysiere nun, was der Inhalt für Konsequenzen habe und werde „voraussichtlich im Laufe des Oktobers“ über konkrete Maßnahmen entscheiden. Auch das Innenressort ist beteiligt.

Das Interesse der parkenden Verkehrsteilnehmer an einer ungehinderten Fortsetzung ihres rechtswidrigen Verhaltens ist nicht schutzwürdig“

Aus der Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gehwegparken

Ende des Jahres wird dem ­Senat zudem eine Studie zur Machbarkeit vom Quartiersparken vorliegen. Sie soll feststellen, wo in besonders dichten Stadtteilen außerhalb des ­öffentlichen Raumes – etwa vor Supermärkten, Kirchen und Sportvereinen – Parkraum geschaffen werden kann.

Für den Naturschutzbund BUND Bremen ist die Entscheidung ein „Schub für die längst überfällige Verkehrswende“. Mit ihrer Klage hätten die Bür­ge­r*in­­nen eine Gerichtsentscheidung mit bundespolitischer Bedeutung herbeigeführt, sagt der Vorsitzende Dieter Mazur. „Politik und Behörden werden in Bremen, aber auch in vielen anderen deutschen Großstädten endlich Maßnahmen ergreifen müssen, um den Verkehrsraum neu zu ordnen.“

Wie auch die Grünen-Fraktion betont Mazur, dass das ­Urteil eine gute Nachricht sei für Fußgänger*innen, Kinder, Menschen im Rollstuhl, mit Rollator oder Kinderwagen. Ralph Saxe, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, pocht auf eine zeitnahe Umsetzung durch den Senat. „Gleichzeitig müssen ­attraktive Alternativen wie Car- und Bikesharing gestärkt werden, um Mobilität im Quartier attraktiv zu gestalten.“