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kritisch gesehenVergebliche Suche nach Würde im Leben

Eine Bremen-Bremerhavener Theater-Koproduktion beweist: Die Welt zwischen den Nachrichten ist gar nicht so toll

Eine Kooperation mit Hand und Fuß: Die Welt zwischen freiem und städtischem Theater ermöglicht flaue Witzchen Foto: Alice Bleistein

Autorin Judith Kuckart sucht sich selbst – wie sie wurde, was sie ist – in „Die Welt zwischen den Nachrichten“, ihrem aktuellen Roman. Als Regisseurin hat sie ihn nun auch auf die Bühne gebracht in einem Kooperationsprojekt des Stadttheaters Bremerhaven mit der Bremer Shakespeare Company, wo die Uraufführung stattfand.

Es ist Nacht, die Bühne weit und offen für die schmerzhafte Suche nach etwas Würde im dahingewürfelten Leben. Natürlich auch für quälende Erinnerungen, zarte Beichten, rüde Abrechnungen, sehnsüchtige Träume oder tollkühne Empfindungen. Als Lockvogel und Animateur fungiert ein Radiomoderator (Markus Seuß), der seine Hö­re­r:in­nen zum Plaudern bringen will über lebensrettende Bücher, Songs, Filme und Gedichte. Warum öffnen Menschen dazu ihre Ohren und machen mit?

Nicht schlafen können sie, sind allein im Kampf mit sich und der Welt, so dass sie die Stille daheim unbedingt füllen müssen. Die Frauen des Stücks schließen von der „schönen Stimme“ des Moderators auf einen geistig-seelisch und vielleicht auch körperlich schönen Menschen. Einen, der ihr Leid ernst nimmt, wenn er den kleinen Verletzungen lauscht, die seit Kindertagen herumgeschleppt werden. Aber Hörfunk zu inszenieren macht noch kein gutes Theater. Schon gar nicht, wenn die Charaktere immer wieder ihre eigene Stimme verlieren, sie mit Zitaten aus Shakespeares Sonetten hochtunen oder mit Phrasen wie „Altern ist nichts für Feiglinge“ lädieren. Ebenso distanzierend wirkt, dass die Darstellerinnen ihre selbst verfassten Texte eigenen Erlebens und Denkens nicht selbst mit dokumentar-theatraler Dringlichkeit, sondern als Fantasiefiguren äußern.

Die Rollengestaltung ist disparat. Isabel Zeumer tanzt mit dem Tod, Svea Auerbach belebt das Klischee der herzensguten Blinden, Angelika Hofstetter entwirft eine schnodderprollige Comedy-Type und Petra-Janina Schultz eine selbstverliebte Single-Frau. Im Publikum sitzend führen die Vier ihre Radiotelefonate und kommentieren die Gespräche der anderen. Umschwirrt von einer Dark Lady (Leon Häder). Shakespeares Lieblingsprojektionsobjekt behauptet hier bloß ein Pilz zu sein, gibt dümmliche Witze von sich, brüllt gern „abgefahren“ und kurvt dann auf Rollschuhen herum. Eine störende Figur. Schließlich entern die Frauen die Bühne. Der Moderator mutiert vom Stichwortgeber zum Erzähler.

Aufführungen in Bremerhaven, Kleines Haus, 20.10., 18 Uhr sowie 25. und 31.10., 19.30 Uhr. In Bremen im Theater am Leibnziplatz, wieder am 26.10., 19.30 Uhr​

Die einsamen Herzen sind nun Geschöpfe seiner Einbildungskraft, die ihm die eigene Einsamkeit erträglicher machen sollen. Das spannungsvoll zu vermitteln, mag in der Kammerspielintimität des Kleinen Hauses in Bremerhaven funktionieren, auf der Bühne der Shakespeare Company in Bremen verliert sich das Stück und lässt sich bestenfalls als flauer Theaterabend erleben. Jens Fischer

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