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Mit Liebe gegen die fossilen Riesen

Der „Belami von Eimsbüttel“ trifft auf Kreta mit Aktivisten, Ex-Bühnenkünstlern und Verschwörungstheoretikern zusammen: Frank Schulz hat einen Klimawandelroman geschrieben

In den Süden fliegen macht Spaß – auch Klimaaktivistinnen Foto: Nikolas Kokovlis/imago

Von Andreas Rüttenauer

Ein Zausel, dessen wirre Videos auf Youtube schon mal mehr als 10.000 Klicks erreichen, liefert die Botschaft dieses Romans. Er turnt in Hamburg vor der Stadtkulisse herum und predigt über den Klimawandel, die Klimakrise, die Klimakatastrophe – wie auch immer. Wie der Kampf gegen die fossilen Riesen gewonnen werden kann? Mit der Liebe. Amor gegen Goliath. Mit dieser Botschaft können die Aktiven im Kampf für das Weltklima weitermachen, auch wenn sich immer weniger Leute für ihr Engagement interessieren. Echt jetzt? Das soll die Botschaft sein dieses großen deutschen Klimaromans, den Frank Schulz da komponiert hat? Oder ist es gar kein Klimaroman? Und ist er wirklich groß? Ja, was will den Lesenden wohl ein Autor sagen, der über seine Figuren bisweilen so schreibt, als wolle er sich über sie lustig machen?

Nun ja, erst einmal will er sie vielleicht bei der Stange halten über die satten 750 Seiten. Mit seinem Spaß an wohl gepflegten Unsinnsformulierungen gelingt ihm das. Da ist dann mal von der „prototypischen Charaktermaske eines Eliteangehörigen des mental-autoritär-kulturkapitalistischen Komplexes“ die Rede. Aber es geht auch einfacher. Der in die Jahre kommende Aufreißer Dr. phil. Philipp Büttner, dessen „Tiger Move“, mit dem er die Frauen zu umschwänzeln weiß, mit der Zeit nicht mehr ganz so geschmeidig ist wie ehedem, wird als der „Belami von Eimsbüttel“ vorgestellt.

Am Ende landet der arbeitslos gewordene Journalist, dessen größte Qualifikation die Freundschaft zu einem stellvertretenden Redak­_tions­leiter einer Zeitschrift ist, der in Talkshows seine Allwissenheit zur Schau trägt, während eines Aufenthalts auf Kreta im Bett mit der viel älteren pensionierten Lehrerin. Die hatte eigentlich nur noch zwei Ziele, einmal einen Aufsatz in der Zeitschrift Merkur unterzubringen – über die Klimakirse, versteht sich – und endlich den Schatten ihres Ex-Mannes loszuwerden, der sich zu einem rechten Influencer entwickelt hat. Das hatte Büttner zwar nicht vor, macht aber auch nichts, denn er hatte ja schon Erfahrung mit einer älteren Frau, seiner Doktormutter, was er nie vergessen wird, hat er die Beziehung doch wie alle darauf folgenden in eine Excel-Tabelle eingepflegt.

Frank Schulz: „Amor gegen Goliath“. Galiani Verlag, Berlin 2024, 750 Seiten, 32 Euro

Eigentlich wollte jener Belami auf Kreta mit den zwei Frauen, seiner Verlobten und deren bester Freundin, mit denen er unterwegs war, endlich seine Fantasie von einer „Triole, einem flotten Dreier, wie Tante Gisela sagt, einem Threesome FFM HD, wie die Menüleiste über dem Pornoportal sagt“, aus­leben. Das endet im Desaster und ist so wenig erfolgreich wie seine Annäherungsversuche an Cathi, die ihren depressiven Mann, den Musiker Ricky Kottenpeter (!) an alter Urlaubsstätte auf der Mittelmeer­insel wieder zu jenem Geschöpf machen möchte, in das sie sich nach einem Auftritt der Band Kottenpeters Knötterpötten (!) einst verliebt hatte.

Was will den Lesenden ein Autor sagen, der über seine Figuren bisweilen so schreibt, als wolle er sich über sie lustig machen?

Cathi ist Aktivistin bei den Everydays for Future in Osnabrück und hängt deshalb immer am Handy. Ihr Leben hat sich grundlegend verändert, seit Greta Thunberg das erste Mal die Schule für das Klima geschwänzt hat. Das mag anderen auch so gehen, die sich wie Cathi im Urlaub auf Kreta vor Freunden mit dem Systemargument dafür rechtfertigen, dass sie dann eben doch mit dem Flugzeug in den Süden geflogen sind, wo sich die ganz heißen Tage mit über 40 Grad dank Klimaanlage bisweilen sogar kalt anfühlen.

Das ist es, was einen durch den Roman treibt. Immer wieder wird man mit Sätzen ertappt, die man vielleicht selbst sogar schon mal gesagt hat. Und von den Neben­figuren, die durch das Buch tapern, ist einem der eine oder die andere gewiss auch schon mal begegnet: Der Nachbar, der zum „Covidioten“ – wie schön, dass Schulz dieses Wort dem Vergessen entrissen hat! – mutiert ist, oder der alte, sehr weiße Mann, der einen mit Newslettern in gewollt witzigem Ton mit den handelsüblichen Verschwörungstheorien belästigt. Schulz spielt die Lesenden auf diese Weise gezielt an und wird so manchen Treffer landen. Ein durchaus geschmeidiger literarischer Tiger Move ist das.

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