Urteil nach 50 Jahren: Zehn Jahre Haft für Stasi-Mord

Nach heimtückischem Mord am DDR-Grenzübergang wird der angeklagte 80-jährige Martin A. zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Revision ist noch möglich.

Der Angeklagte im Gericht

Der Angeklagte Martin A. im Kammergericht Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Berlin taz | 50 Jahre sind die tödlichen Schüsse auf den Polen Czesław Kukucka mittlerweile her. Am Montag wurde der Schütze vom Kriminalgericht Moabit verurteilt. Der heute 80-jährige Martin A. aus Leipzig bekam eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Die Verkündung des Urteils nahm der Ex-Stasi-Offizier reglos hin.

Martin A. hatte Kukucka am 29. März 1974 am ehemaligen DDR-Grenzübergang am Bahnhof Friedrichstraße aus einem Hinterhalt erschossen. Der damals 30-Jährige war zu dem Zeitpunkt Mitglied einer Operativgruppe der Stasi zur Überwachung und Kontrolle des Reiseverkehrs und hatte den Befehl erhalten, den Polen „unschädlich“ zu machen. Dieser hatte zuvor versucht, die Ausreise aus der DDR mit einer Bombenattrappe zu erzwingen. Die Stasi ging zum Schein auf seine Forderung ein, stellte ihm die erforderlichen Papiere aus und begleitete ihn bis zum Grenzübergang – wo er durch Martin A. erschossen wurde.

Am Ende der Befehlskette

Der Vorsitzende Richter Bernd Miczajka betonte zunächst, dass der Angeklagte am Ende einer Befehlskette gestanden habe. Weiter stellte er fest, dass die Tat ein Resultat konspirativen Zusammenwirkens war.

Dass der Angeklagte die Tat begangen hat, stützte das Gericht wesentlich auf einen nach der Tat verliehenen „Kampforden in Bronze“ sowie auf die Aussagen zweier westdeutscher Schülerinnen, die zufällig Zeuginnen der Tat wurden. Zwar erhielten auch andere mutmaßlich Beteiligte Orden, allerdings wurde nur in der Auszeichnung des damaligen Oberleutnants A. ausdrücklich erwähnt, dass dieser eine Schusswaffe gebraucht habe.

Dass Martin A. heimtückisch gehandelt hat, machte Richter Miczajka insbesondere an dem Verhalten des Opfers fest. Laut den Zeuginnen hatte der Pole bereits sämtliche Grenzkontrollen passiert. Ihm waren die erforderlichen Dokumente ausgehändigt worden und er war kurz davor, die Grenze zu überqueren – Richter Miczaijka sprach von einer regelrechten „Einlullung“ durch die Stasi. Der Schuss in den Rücken erfolgte somit für den Polen vollkommen unerwartet.

Urteil noch nicht rechtskräftig

Es ist nicht das erste Mal, dass im Kriminalgericht Moabit ein spektakulärer Prozess zur Aufklärung von DDR-Verbrechen stattfindet. Anfang der 90er Jahre stand hier der ehemalige Staatschef der DDR, Erich Honecker, vor Gericht. Das Urteil vom Montag wird vermutlich das letzte gegen ein Mitglied der Stasi sein. Der Prozess wurde daher aufgezeichnet.

Martin A. hat sich zu den Vorwürfen nicht geäußert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, A. kann noch Revision einlegen.

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