Atomkraft für Microsoft

Im Meiler Three Mile Island kam es 1979 zum größten Atomunfall in den USA. 2028 soll es wieder in Betrieb gehen –nur für die Rechenzentren des Tech-Riesen

Kinder spielen auf der Straße vor einer Wiese und einem Wohnhaus. Eine Person geht mit einem Kleinkind spazieren. Hinter dem Haus steigt Dampf aus den Kühltürmen eines Kraftwerks auf.

Im Jahr 2009, 30 Jahre nach der Katastrophe, stieg noch Dampf aus den Kühltürmen von Three Mile Island in Pennsylvania auf Foto: Fo­to:­ Ch­ris Gardner/EPA

Von Hansjürgen Mai, Washington

Das stillgelegte Kernkraftwerk Three Mile Island im US-Bundesstaat Pennsylvania wird in den kommenden Jahren wieder in Betrieb gehen. Das hat das Energieunternehmen Constellation Energy, Eigentümer des Atomkraftwerks, vor Kurzem bekannt gegeben. Constellation Energy habe einen Stromkaufvertrag mit Microsoft unterzeichnet, der eine Laufzeit von 20 Jahren habe. Der Technologiekonzern will mit dem Strom aus dem AKW seine großen Rechenzentren mit Strom versorgen.

Der Strombedarf steigt seit mehreren Jahren sukzessive an. Gründe dafür sind unter anderem die durch die Coronapandemie veränderte Arbeitswelt mit mehr Homeoffice, die Transformation im Straßenverkehr hin zu mehr Elektrofahrzeugen und die rasanten Entwicklungen auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz.

„Die Energieversorgung von Industrien, die für die wirtschaftliche und technologische Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes von entscheidender Bedeutung sind, darunter auch Rechenzentren, erfordert enorme Mengen Energie“, sagte Joe Dominguez, der Präsident von Constellation Energy. Diese Energie müsse rund um die Uhr zuverlässig verfügbar und CO2-neutral sein. „Kernkraftwerke sind die einzigen Energiequellen, die dieses Versprechen dauerhaft erfüllen können“, meint Dominguez.

Der letzte Reaktor des AKWs wurde 2019 aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt. Der Reaktor hatte eine Kapazität von 837 Megawatt und erzeugte damit genug Elektrizität, um mehr als 800.000 amerikanische Häuser mit Strom zu versorgen. Nun soll er wiederbelebt werden und ab 2028 wieder produzieren. Laut Wirtschaftsanalysen sollen dadurch mehr als 3.000 Arbeitsplätze in der Region geschaffen werden, Steuereinnahmen von mehr als drei Milliarden US-Dollar seien zu erwarten.

Die USA setzen stark auf Atomkraft. „Pennsylvanias Kernenergieindustrie spielt eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung von sicherem, zuverlässigem und CO2-freiem Strom, der zur Reduzierung der Emissionen und zum Wirtschaftswachstum Pennsylvanias beiträgt“, sagte Josh Shaprio, der demokratische Gouverneur des Bundesstaates.

Dabei gehört ausgerechnet Three Mile Island in Harrisburg zu den Namen, die weltweit für die Risiken der Atomenergie stehen. Sieben Jahre vor der Atomkatastrophe in Tschernobyl kam es in Pennsylvania fast zu einem atomaren Super-GAU. Am 28. März 1979 versagte das Kühlungssystem in einem der beiden Reaktoren. Die Folge war eine Kernschmelze und die Freisetzung von radioaktivem Material.

Es ist bis heute der schwerste Unfall in der amerikanischen Atomenergie, auch wenn es nicht zu einer Explosion kam. Tausende Kinder und Schwangere im Umkreis wurden evakuiert, mindestens 140.000 Menschen ergriffen die Flucht. Die gesundheitlichen Folgen der freigesetzten Strahlung sind bis heute nicht umfassend untersucht. Die Aufräumarbeiten am havarierten Reaktor dauerten mehr als zehn Jahre und kosteten mehr als eine Milliarde US-Dollar. Der zweite Reaktor war von dem Vorfall nicht betroffen und blieb weitere 40 Jahre unfallfrei am Netz. Er ist es, der nun für Microsoft wieder in Betrieb gehen soll.

Der IT-Konzern will sich mit der Entscheidung, den Strombedarf für seine wachsenden Rechenzentren mithilfe von Atomenergie zu decken, auf die Zukunft vorbereiten. Der Ostküstenstaat Virginia hat weltweit die höchste Dichte an Rechenzentren und mehr sind bereits im Bau. Die Betreiber verlangen nach neuen Elektrizitätswerken, Stromleitungen und anderen Infrastrukturinvestitionen. Microsoft plant, seine Rechenzentren in Virginia, aber auch in Ohio, Pennsylvania und Chicago zu erweitern.

„Der Strombedarf in den USA ist seit mehreren Jahrzehnten entweder gleich geblieben oder hat vielleicht ein oder zwei Prozent Wachstum pro Jahr verzeichnet. Aber jetzt und in absehbarer Zukunft wächst der Bedarf im Grunde fünfmal so schnell“, sagte Aaron Ruby, Direktor beim Energieunternehmen Dominion Energy.

Ob Three Mile Island ab 2028 für Microsoft tatsächlich Strom produzieren wird, hängt nun davon ab, ob die US-Aufsichtsbehörde NRC ihr grünes Licht gibt. Constellation Energy hat bereits angekündigt, eine Lizenzverlängerung bis ins Jahr 2054 anzustreben.