NS-Raubkunst: Endlich mehr Rechte für die Opfer
Künftig dürfen Kunstwerke auch ohne Zustimmung der Museen überprüft werden. Ein wichtiger Schritt für die Restitution von NS-Raubkunst.
Papierrestauratorin mit Akten bei der Provinienzforschung zur NS Raubkunst im Brandenburgischen Landesarchiv Foto: Stefanie Loos
Stellen Sie sich vor, ein Dieb hätte ihr Fahrrad gestohlen und glücklicherweise schnappt ihn die Polizei. Aber nun behauptet der Kerl, das Rad gehöre ihm und verweigert die Herausgabe. Die Polizei erklärt sich für machtlos. Die Gerichte unternehmen nichts. Unmöglich, sage Sie, wir sind doch nicht bei Franz Kafka? Tatsächlich ist diese Vorgehensweise legale Praxis.
Nur geht es dabei nicht um Fahrräder, sondern um Kunst, die von den Nazis gestohlen wurde und mit der sich heute deutsche Museen schmücken. Bisher kann sich der heutige Besitzer einer Überprüfung der Eigentumsverhältnisse verweigern – und die Kunst bleibt in seinem Besitz. So geschehen zum Beispiel bei „Madame Soler“ von Picasso. Die bayerischen Staatsgemäldesammlungen verweigern eine Überprüfung.
Doch damit soll Schluss sein. Bund, Länder und Kommunen haben beschlossen, dass sich künftig ein unabhängiges Schiedsgericht mit der Frage befasst, ob ein mutmaßlich von den Nazis geraubtes Kunstwerk tatsächlich den jüdischen Besitzern gestohlen wurde. Anders als bisher überprüft dieses Schiedsgericht die Angelegenheit auch dann, wenn sich das Museum dem Verfahren verweigern will.
Das ist ein gewaltiger Fortschritt bei der Restitution von durch das NS-Regime gestohlenes Eigentum. Hunderttausende Kunstwerke wurden zwischen 1933 und 1945 entschädigungslos geklaut. Jetzt endlich, fast 80 Jahre nach dem Ende dieses Terrorregimes, haben die Nachfahren deutlich verbesserte Möglichkeiten, ihr Recht durchzusetzen. Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat einen Fortschritt erzielen können, auf den die Opfer lange haben warten müssen.
Privateigentum darf nicht ausgeschlossen werden
Allerdings gilt die neue Regelung nur bei Werken im Besitz der öffentlichen Hand. Privateigentum bleibt unangetastet. Die gestohlene Kunst gilt in aller Regel als ehrlich erworben – selbst wenn das Werk auf krummen Wegen den Besitzer wechselte. Auch in diesem Fall muss die Ampel-Koalition eine Rechtsgrundlage schaffen, die den Nachfahren der Opfer Gerechtigkeit widerfahren lässt. Doch von einem Raubkunstgesetz will sie nichts wissen.
NS-Raubkunst: Endlich mehr Rechte für die Opfer
Künftig dürfen Kunstwerke auch ohne Zustimmung der Museen überprüft werden. Ein wichtiger Schritt für die Restitution von NS-Raubkunst.
Papierrestauratorin mit Akten bei der Provinienzforschung zur NS Raubkunst im Brandenburgischen Landesarchiv Foto: Stefanie Loos
Stellen Sie sich vor, ein Dieb hätte ihr Fahrrad gestohlen und glücklicherweise schnappt ihn die Polizei. Aber nun behauptet der Kerl, das Rad gehöre ihm und verweigert die Herausgabe. Die Polizei erklärt sich für machtlos. Die Gerichte unternehmen nichts. Unmöglich, sage Sie, wir sind doch nicht bei Franz Kafka? Tatsächlich ist diese Vorgehensweise legale Praxis.
Nur geht es dabei nicht um Fahrräder, sondern um Kunst, die von den Nazis gestohlen wurde und mit der sich heute deutsche Museen schmücken. Bisher kann sich der heutige Besitzer einer Überprüfung der Eigentumsverhältnisse verweigern – und die Kunst bleibt in seinem Besitz. So geschehen zum Beispiel bei „Madame Soler“ von Picasso. Die bayerischen Staatsgemäldesammlungen verweigern eine Überprüfung.
Doch damit soll Schluss sein. Bund, Länder und Kommunen haben beschlossen, dass sich künftig ein unabhängiges Schiedsgericht mit der Frage befasst, ob ein mutmaßlich von den Nazis geraubtes Kunstwerk tatsächlich den jüdischen Besitzern gestohlen wurde. Anders als bisher überprüft dieses Schiedsgericht die Angelegenheit auch dann, wenn sich das Museum dem Verfahren verweigern will.
Das ist ein gewaltiger Fortschritt bei der Restitution von durch das NS-Regime gestohlenes Eigentum. Hunderttausende Kunstwerke wurden zwischen 1933 und 1945 entschädigungslos geklaut. Jetzt endlich, fast 80 Jahre nach dem Ende dieses Terrorregimes, haben die Nachfahren deutlich verbesserte Möglichkeiten, ihr Recht durchzusetzen. Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat einen Fortschritt erzielen können, auf den die Opfer lange haben warten müssen.
Privateigentum darf nicht ausgeschlossen werden
Allerdings gilt die neue Regelung nur bei Werken im Besitz der öffentlichen Hand. Privateigentum bleibt unangetastet. Die gestohlene Kunst gilt in aller Regel als ehrlich erworben – selbst wenn das Werk auf krummen Wegen den Besitzer wechselte. Auch in diesem Fall muss die Ampel-Koalition eine Rechtsgrundlage schaffen, die den Nachfahren der Opfer Gerechtigkeit widerfahren lässt. Doch von einem Raubkunstgesetz will sie nichts wissen.
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Schwerpunkt Nationalsozialismus
Kommentar von
Klaus Hillenbrand
taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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