Heiko Werning
: Witze gegen Antisemitisten

Der Antisemitismus muss auf die Liste der gefährdeten Weltkulturgüter. Nachdem er jahrhundertelang ein verlässliches, generationenübergreifendes und identitätsstiftendes Gemeinschaftserlebnis war, hat er sich nach 1945 schlagartig in Luft aufgelöst.

Selbst kruppstahlharte Nazis versichern heute, sie hätten nichts gegen Juden, nur sollen die doch bitteschön alle nach Israel gehen. Während umgekehrt sogar die iranischen Oberbartträger beteuerten, dass sie Juden ein langes und glückliches Leben wünschen, nur bitte nicht ausgerechnet in Israel. Oder überhaupt irgendwo, wo sie sie sehen müssten.

Selbst die Person, die in Zeitz gerade in manischer Akribie Stolpersteine aus der Straße gerupft hat, wird sicherlich nichts gegen Juden haben, sondern nur dagegen, dass die halt die Ostdeutschen über Corona-Impfungen an Bill Gates verkauft haben und dass Stolpersteine zu Unfällen führen können. Stolpersteine eben. Heißen ja schon so.

Auch die propalästinensisch genannten, obschon nie für das Wohl der Palästinenser, also gegen die Schreckensherrschaft der Hamas, demonstrierenden Menschen, die am 7. Oktober auf die Straße gingen, sind gewiss keine Antisemiten, weshalb sie zielsicher den Jahrestag des größten Massakers an Juden seit dem Holocaust für ihre Kundgebungen ausgewählt haben. Denn das hatten die Juden ja nun mal selbst zu verantworten mit ihrer penetranten Marotte, irgendwo wohnen und sich dabei nicht beständig von Raketen beschießen oder umbringen lassen zu wollen, weshalb man sie eben vor sich selbst schützen muss.

Kurz zusammengefasst: Im Gegensatz zur Antisemitismuskeule, die in Deutschland verbreiteter ist als Wasserpistole und Kartoffelschälmesser, ist der Antisemitismus nur noch eine Wahnvorstellung der Juden. Hat vermutlich mit ihrem Reichtum zu tun, und mit den ganzen Geheimbünden, in denen sie aktiv sind. Da wird man schnell mal paranoid.

Aber das hat auch sein Gutes: So konnte ich vorige Woche bei der Buchpremiere der von mir mitherausgegebenen Anthologie „Sind Antisemitisten anwesend?“ erstmals Texte im Schutz einer eigens beauftragten Security vorlesen, die hinter dem Vorhang des Theaters wachte, ob nicht einer der zahlreichen Judenfreunde des Landes die Bühne stürmt, um uns lautstark davon zu überzeugen, dass dies selbstverständlich nicht der Fall ist. So wie es ja auch kein jüdisches Café ohne Polizeischutz gibt, weil man stets damit rechnen muss, dass jemand mit Verbesserungsvorschlägen für koschere Rezepte in die Küche kommt – irgendwas mit blauen Bohnen vielleicht.

Bei der Lesung ist dann aber gar nichts passiert, außer dass wir kaum Honorar bekommen haben, weil die Security so teuer war und von den Verursachern des Ärgers bezahlt werden muss, also uns Satirikern, die ausgerechnet Witze über Antisemitismus machen. Aber das macht nichts. Die Weisen von Zion werden es uns großzügig vergelten.